Sonntag, 7. August 2016

Cora Stephan: Ab heute heiße ich Margo

- ein historischer Roman, der einen Bogen von 1936 bis zur Jahrhundertwende spannt und vom Schicksal zweier beeindruckender Frauen erzählt - in Ost- und Westdeutschland.


Sprecherin: Tanja Fornaro
Spieldauer: 18 Stunden, 8 Minuten
ungekürztes Hörbuch


Inhalt
Im Mittelpunkt dieses zeitgeschichtlichen Romans stehen zwei Frauen: Margarete und Helene.

Margo, wie sich nennt, weiß, was sie will: bei Photo Werner lernen. Aus eigenem Antrieb hat sie sich diese Lehrstelle als Bürokraft organisiert.
Wir schreiben das Jahr 1936 in Stendal.
Margo Hegewald ist glücklich in ihrer Ausbildung und lernt den Diplomaten Alard von Sedlitz auf einer Soiree der mondänen Familie Seliger kennen. Sie verliebt sich in den Adligen, dessen Vater ein Gut in Schlesien besitzt. Doch Alards Herz schlägt für Helene, eine junge Fotografin, die er gemeinsam mit seinem englischen Diplomatenfreund Liam im spanischen Bürgerkrieg vor den Rotarmisten gerettet hat. Ebenso wie seine Dogge Adalante. Auch Liam liebt die junge Frau und Alard glaubt, Helene habe ebenfalls ihr Herz an den Engländer verloren - eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellt.
Alard organisiert Helene eine Anstellung bei Photo-Werner in Stendal und so freunden sich Margo und Helene, die Spionage betreibt, wovon Margo nur eine Ahnung hat, an. Inzwischen bricht der 2.Weltkrieg aus und am Beispiel von Margo kann man verfolgen, wie wenig die Propaganda des NS-Regimes hinterfragt wurde - bis Helene von der Gestapo abgeführt wird. Unklar bleibt, ob es ihre jüdische Abstammung oder ihre Spionagetätigkeit ist, die ihr zum Verhängnis wird. In ihrer Naivität verrät Margo Helenes Defätismus, wofür sich Helene später rächen wird..


Während Helene ins KZ Ravensbrück gebracht wird und dort Furchtbares durchleiden muss, verliebt sich Margo in Henry Seliger und heiratet ihn. Er bringt sie nach der Hochzeit nach Schlesien, weil er glaubt, dort sei es sicher - ebenfalls eine Fehleinschätzung. Helene und Margo treffen dort  am Ende des Krieges wieder aufeinander - im Hause Alards und als die Rote Armee sie überfällt, verlieren sie sich aus den Augen. Margo wird schwer misshandelt und nachdem sie wieder bei Sinnen ist, ist Helene verschwunden, ebenso ihr kleines Mädchen Emma - die Folge einer gemeinsam verbrachten Nacht mit Alard.

Während Margo in einer Elektronikfirma im Westen Karriere macht und sich mit Henry und dem gemeinsamen Kind Leonore eine Existenz im Nachkriegsdeutschland aufbaut, bleibt Helene im Osten und wird zur Botschafterin des Friedens. Sie knüpft somit an ihre Geheimdiensttätigkeit an, wird aber nie eine linientreue Sozialistin - im Gegensatz zu ihrer Tochter Clara.
Nach vielen Jahren treffen Helene und Margo wieder aufeinander, alte Wunden werden aufgerissen und Verrat und Schuld belasten ihre einstige Freundschaft. Viel mehr möchte ich an dieser Stelle gar nicht verraten, das Ende ist jedoch ein versöhnliches und schließt elegant den gespannten Erzählbogen.

Bewertung
Der Roman erstreckt sich von der Zeit unmittelbar vor dem 2.Weltkrieg bis zu einem Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung Deutschlands.
Dabei liefert er am Beispiel Margos zunächst einen Einblick in die Naivität, die der Propaganda Hitlers erliegt und nichts wissen will, was mit den deportierten Menschen geschieht. Trotzdem bleibt sie aufgrund ihrer Durchsetzungsfähigkeit, ihrem Arbeitswillen und auch mit ihren dunklen Momenten eine Sympathieträgerin des Romans. Lediglich das Verhalten gegenüber ihrer Tochter wirft einen Schatten auf diese starke Frau, die aufgrund der eingestreuten Tagebuchaufzeichnungen im Mittelpunkt des Romans steht.
Helene, dagegen, erlebt die Willkür und Grausamkeit des Nazi-Regimes mit ihrer Gefangennahme und Inhaftierung und auch nach dem Krieg findet sie sich in einem totalitären Regime wieder, mit dem sie zunächst kooperiert. Doch zunehmend distanziert sie sich von den Ideen des Sozialismus. Obwohl sie die Unnahbarere von beiden ist, gewinnt auch sie die Sympathien der Zuhörer/innen, was auch der Sprecherin Tanja Fornaro zu verdanken ist, die zusätzlich dafür sorgt, dass man den Handlungen der Protagonistinnen Verständnis entgegenbringt.

Der Roman bietet einen Gang durch die Geschichte, ganz konkret am Alltagsleben dargestellt:
Der Wiederaufbau, das Wirtschaftswunder wird zusammen mit Margo erlebbar. Die Ideologie im Osten, die Spionagetätigkeit und das perfide System des Ministeriums für Staatssicherheit, das auch vor Kindern, die als Spitzel angeworben werden, nicht Halt macht, erscheinen durch die Augen Helenes.
Es ist ein Roman, der anhand menschlicher Schicksale die deutsche Geschichte erfahrbar macht, nicht die große Politik steht im Vordergrund, sondern die Ängste und Sorgen der beiden Frauen. Auch die folgenden Generationen kommen zu Wort und schildern aus ihrer Perspektive die Gefühle einer neuen Generation.
Trotz der ein oder anderen sentimentalen Szene, die ganz bewusst die emotionale Ebene bedient, ist es ein wunderbarer, historischer Roman mit starken Figuren, der trotz der Länge des Hörbuches immer interessant und spannend bleibt.
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