Mittwoch, 28. Dezember 2016

Mein Lesejahr 2016

- Leserunden, Lesen mit Mira, Lesevorlieben, Lieblingsliteratur.


Mein Lesejahr 2016 war besonders ereignisreich und das aus vielerlei Gründen. Einer davon ist meine Mitgliedschaft bei whatchareadin, die jetzt ein Jahr alt ist und die mein Leseverhalten maßgeblich beeinflusst hat und das sicherlich auch weiterhin tun wird.

Und das mit seinen Leserunden, angefangen mit Sam Millars "True Crime", an der der Autor sogar selbst teilgenommen hat, um unsere Fragen zu beantworten. Oder mit der großartigen Leserunde zu "Widerfahrnis", in der heftig über Sprache und Handlung diskutiert wurde.

Auch einen Roman wie "Hool" hätte ich sicherlich nicht ohne Weiteres lesen wollen, habe im Rahmen einer weiteren Leserunde dann doch zugegriffen und es nicht bereut. Für mich die größte Überraschung in diesem Jahr.
Der Austausch beim Lesemontag, die Genre- und Themenleserunden sorgen für immer neue Buchtipps und eine intensivere Auseinandersetzung mit der eigenen Lektüre.
So habe ich Ian McEwan, den ich den letzten Jahren etwas aus den Augen verlor, dank whatchareadin wiederentdeckt, sowohl durch die Tipps der anderen als auch in der Leserunde zu "Nussschale".

Nicht zu vergessen sind jedoch diejenigen, die dieses Forum am Leben halten, wie Helmut Pöll, den Adminstrator, und die vielen Blogger/innen, die ihre Leidenschaft fürs Lesen leben. Mit einigen von ihnen tausche ich mich regelmäßig aus, lese und teile ihr Blogs und folge ihren Bewertungen:

Renie´s Lesetagebuch, die mich erst zu whatchareadin geführt hat und mit der ich meine Vorliebe für den Louisoder-Verlag teile.

Annes Lesetagebuch, die meinen Fokus wieder stärker auf die Bücher gegen das Vergessen gelenkt hat.

Anne Parden, die Kriminalromane und Jugendromane gerne liest und deren Rezensionen mich schon sehr oft inspiriert haben, den entsprechenden Roman zu lesen.

Inas Bücherkiste, deren Rezensionen ein Lesegenuss sind.

Eine besondere Freundschaft hat sich mit Mira ergeben, mit der ich seit August auch gemeinsam lese, Lesen mit Mira, und die ich dieses Jahr auf der Frankfurter Buchmesse getroffen habe. So war dieses Ereignis in zweierlei Hinsicht ein Highlight in meinem Lesejahr.


Lesevorlieben
Im letzten Lesejahr hat sich herauskristallisiert, dass ich meine Liebe für die Gegenwartsliteratur wieder gefunden habe - seit dem Studium habe dieses Genre berufsbedingt sträflich vernachlässigt. Inzwischen machen aber Romane aus diesem Bereich einen Großteil dessen aus, was ich lese, daneben bleibe ich den Krimis treu und habe ein Faible für Romane entwickelt, die eine Familiengeschichte über mehrere Generationen erzählen und dabei einen Einblick in die politische Geschichte gewähren - dazu gehören auch die Romane gegen das Vergessen, die ich besonders in unserer Zeit wieder und immer noch wichtig finde.
Da ich selbst zwei Kinder habe, bleibe ich der Kinder- und Jugendliteratur verbunden, etwas vernachlässigt habe ich dieses Jahr die Fantasyliteratur, aber der Tag hat eben nur 24 Stunden und leider verdiene ich mit dem Lesen kein Geld.
Seit gut einem Jahr habe ich auch ein Abo bei Audible, eine gute Gelegenheit unliebsame Tätigkeiten mit Literatur zu versüßen, so dass ich neben dem Lesen immer auch ein Buch höre - und manchmal gewinnt ein Roman auch durch die guten Vorleser/innen.



Lieblingsbücher 2016


Gegenwartsliteratur

Da ich aus diesem Genre so viele Bücher gelesen habe, fällt es mir wirklich schwer meine Favoriten zu benennen. Doch drei sehr unterschiedliche möchte ich besonders hervorheben.

1. Das Ende der Einsamkeit von Benedict Wells

Jules hatte einen Motarradunfall und liegt im Krankenhaus. In Rückblicken erfahren wir schrittweise sein bisheriges Leben. Seine Eltern sind früh verunglückt, so dass er mit seinen unterschiedlichen Geschwistern- Marty und Liz- als Jüngster zurückbleibt. Dieser Verlust prägt ihn. Während Marty ein erfolgreicher Geschäftsmann wird, verfällt Liz den Drogen und Jules findet keinen Weg ins Leben, bis er wieder auf seine große Liebe Alva trifft.
Eine Familien - und Liebesgeschichte, gefühlvoll ohne kitschig zu sein, die berührt und lange nachhallt.

2. "Widerfahrnis" von Bodo Kirchhoff
- Gewinner des Deutschen Buchpreises 2016
Dem alternden Verleger Reither widerfährt eine unerwartete Reise mit Leonie Palm, die in der gleichen Wohnanlage für Senioren lebt wie er. Gemeinsam unternehmen sie eine Fahrt bis nach Sizilien und reisen letztlich in ihre eigene Vergangenheit.
Der Plot ist handlungsarm, trotzdem berichtenswert, aber die besondere Sprache Kirchhoffs, der das eigene Erzählen ironisch kommentiert, machen das Besondere dieser Novelle aus.

3. "Hool" von Philipp Winkler
Heiko ist ein Hooligan aus Hannover und im Roman erhält man als Leser/in einen Einblick in seine Welt. Da aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist man inmitten der Schlägerei, der unglücklichen Familienkonstellation, der Ausweglosigkeit und der Tragödien in Heikos Leben.
Trotz der ungefilterten Sprache mit Fäkal- und Kraftausdrücken besticht der Roman dadurch, dass er nachfragt, wie Heiko in diese Situation geraten ist, indem seine Vergangenheit schrittweise aufgedeckt wird.



Romane aus anderen Kulturkreisen

Eine überflüssige Frau von Rabih Alameddine
Ob sie eine überflüsslige Frau sei, diese Frage stellt sich die 72-jährige Aaliya Saleh, die allein in Beirut lebt. Im Roman reflektiert sie über ihr Leben - die Schwierigkeiten mit ihrer Familie, ihre misslungene Ehe, ihre Einsamkeit. Sie arbeitet in einer Buchhandlung und übersetzt jedes Jahr ein literarisches Werk, ohne dieses zu veröffentlichen - aus Liebe zur Literatur.
Ein großartiger Roman - eine psychologische Studie, ein Buch über Bücher, ein Einblick in das Leben im Libanon.

Zeitgeschichtliche Romane

Ab heute heiße ich Margo von Cora Stephan

Der Roman erzählt die Geschichte Deutschlands beginnend mit der NS-Zeit über die Wiedervereinigung hinaus am Beispiel zweier unterschiedlicher Frauen: Margo und Helene, die jedoch zeitlebens (ungewollt) verbunden sind.
Während Margo nach dem Krieg im Westen eine erfolgreiche Geschäftsfrau wird, tritt Helene in den Dienst der DDR, bis diese untergeht.
Der Roman erzählt sehr feinfühlig das Leben dieser beiden Frauen, von Margos Naivität während der Nazi-Zeit, von Helenes Erfahrungen in Ravensbrück, von den Wunden, die beide aus dem Krieg tragen und wie sie den Rest ihres Lebens damit umgehen.
Zeitgeschichte, die man miterleben darf, spannend und unterhaltsam präsentiert.

Kriminalromane

Die Nacht mit Nancy von Wilson Collison

Ein Landhaus, ein älteres Gastgeberpaar, zwei Ehepaare, eine alleinstehende Frau - Nancy- und ein Anwalt und ein Verbrechen?
Die junge, hübsche Nancy schreit des Nachts in ihrem Zimmer auf, als die Gastgeberin zu ihr eilt, findet sie dort die beiden Ehemänner und den Anwalt - ein Skandal in den 30er Jahren an der Ostküste der USA.
Akribisch rekonstruiert der Anwalt Jimmie Landon die Geschehnisse der Nacht und deckt dabei viele Geheimnisse auf, die nicht ans Licht hätten kommen sollen.
Eine ironisch erzählte Kriminalgeschichte, die mir beim Lesen viel Spaß gemacht hat und mit einer echten Überraschung am Ende aufwartet.

Fantasyromane und Lesen mit Mira

Der Zauberer von Oz von Frank L.Baum

Ein zauberhaftes Märchen über ein kleines Mädchen, das mit einem Sturm ins geheimnisvolle Land Oz getragen wird, dort treue Freunde findet und das Geheimnis des Zauberers von Oz aufdeckt.
Ein fantastisches Abenteuer, das Mira und mir sehr gut gefallen hat.

Dystopie

Mirror von Karl Osberg

Mirror ist ein Gerät, eine Art Smartphone, das dich begleitet. Der MirrorBrain, das Hauptelement, ist mit einem Clip im Ohr verbunden, der zuhören und auch sprechen kann. Eine Kamera umfasst dein Umfeld, ein Armband misst deine Körperfunktionen, auf dem Bildschirm der "Brille", erscheint dein eigenes Gesicht. Der Mirror sammelt Daten über dich und ist vernetzt im MirrorNet.
Entworfen, um dir das Leben angenehm zu machen, dir Ratschläge zu geben, dich zu begleiten, entwickelt sich die Technik schnell zu einem Alptraum, wie der Protagonist Andy feststellen muss.
Eine erschreckend realistische Dystopie, die sehr nachdenklich macht.

Romane gegen das Vergessen

Manja von Anja Gmeyner

Der Roman erzählt von fünf Kindern aus unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und spielt zu Beginn der Nazi-Herrschaft in Berlin. Vier Jungen - Heini Heidemann, ein sensibler Arztsohn, Harry Hartung, ein zarter Junge, dessen Vater ein erfolgreicher jüdischer Bankier ist, Karl Müller, Sohn eines Kommunisten, und Franz Meißner, dessen Vater ein Nazi ist - freunden sich mit dem jüdischen Mädchen Manja an. Sie ist es, die alle zusammenhält, und in ihrem gemeinsamen Spiel an einem geheimen Treffpunkt gehen die Kinder vollständig auf. Doch die politischen Verhältnisse zerstören ihre Idylle und ihre Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt.
Ein sensibler Roman über eine außergewöhnliche Freundschaft in schrecklichen Zeiten.


Zum Schluss noch Statistik
Gelesene Bücher 2016: 85 Bücher