Samstag, 14. Januar 2017

Christopher Buckley: Chaos im Weißen Haus

Liebe, Macht & Mr President
- eine politische Satire.



Gebundene Ausgabe, 280 Seiten
Louisoder, 31.März 2014

Vielen Dank an den Louisoder Verlag, der mir dieses Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Beim vorliegenden Roman handelt es sich um das Erstlingswerk Christopher Buckley, das weitgehend unbekannt geblieben ist. Entstanden ist es aus seinen Erfahrungen als Redenschreiber für George Bush senior und erschienen 1986 während der Amtszeit Ronald Reagans.
Bekannt geworden ist Buckley mit dem Roman "Thank you for smoking", der auch verfilmt worden ist.


Inhalt

Der Roman beginnt schon skurril. Der neu gewählte Präsident Thomas Tucker ist gewillt am 20. Januar 1989 im Weißen Haus Einzug zu halten, alles ist minutiös geplant, jeder Schritt vorbereitet. Doch Ronald Reagan weigert sich schlicht, das Weiße Haus zu verlassen. Herb Wadlough, der persönliche Berater des gewählten Präsidenten schildert seine Eindrücke:

"Während der Übergangsphase hatte mich Reagans innerster Kreis diskret und vertraulich wissen lassen, dass man dem Präsidenten sein hohes Alter in zunehmendem Maße anmerkte. (Da waren es nur noch wenige Tage bis zu seinem achtundsiebzigsten Geburtstag.)" (S.12)

Mike Feeley, Pressesprecher, hat die zündende Idee den "senilen" Reagan zu überreden, endlich seinen Pyjama abzulegen:
"Sagen Sie ihm, dass die Russen angreifen und er schnellstens dort rausmuss." (S.19)

- Der Kalte Krieg lässt grüßen.

Der Roman wird aus der Sicht Herb Wadloughs in der Ich-Perspektive erzählt, jedem Kapitel ist eine Notiz seines Tagebuchs vorangestellt. Insgesamt schildert er seine persönlichen Erlebnisse während der vierjährigen Amtszeit Tuckers.
Wadlough stammt aus Boise, Idaho, und hat für eine Buchhaltungsfirma gearbeitet. In diesem Zusammenhang lernt er Tucker kennen, der aus einer wohlhabenden Familie, die ihr Geld mit Holz- und Dosenforellen (!) gemacht hat, stammt. Wadlough konnte "Unstimmigkeiten" der Buchhaltung beseitigen, so dass die Steuerfahndung nichts zu beanstanden hatte.

"So begann eine Freundschaft, die mein Leben wie nichts anderes bereicherte - abgesehen von der Religion und meiner Familie." (S.27)

Herb ist folgerichtig auch Pate des Sohns des Präsidenten - Thomas. Gemeinsam mit seiner Familie siedelt er nach Washington, um sich ganz seiner Beraterrolle für den Präsidenten zu widmen.

Doch gleich zu Beginn erleidet er eine Niederlage. Der Präsident hatte im Wahlkampf einen elfjährigen Mädchen versprochen, mit dem Rauchen aufzuhören. Doch es gelang ihm nicht. Also wurde nur noch auf Toiletten heimlich geraucht - mit dem Versprechen nach der Wahl aufzuhören.
Allerdings bricht er auch dieses - stattdessen droht er seinem Leibarzt an, ihn in den Norden Grönlands zu versetzen, sollte er ihn noch einmal mit den gesundheitlichen Risiken des Rauchens nerven. Zu viel zum Thema Wahlversprechen!

Der schleichende Untergang Herb Wadloughs im Weißen Haus geht auf das Konto von Bamford Lleland IV, mit dem ihn eine tiefe Feindschaft über die vier Jahre verbindet.

Bam Lleland war ein eingefleischter Bostoner mit nicht unerheblichem (ererbtem) Reichtum, aber vielleicht ein klein wenig zu hochwohlgeboren. Er war ein Konglomerat an typischen Ostküstenvorlieben: straff nach hinten gekämmtes, pomadisiertes Haar, Sockenhalter, Brieftasche aus Eidechsenleder, Fliege, Manschettenknöpfe des Porcellian Club, randlose Brille und eine Kenntnis französischer Speisekarten, die er bei jeder Gelegenheit raushängen ließ." (S.37)

Ob da jemand Vorurteile hegt und Minderwertigkeitsgefühle hat?

Allerdings hat Herb auch einen Verbündeten - Mike Feeley - Feels genannt, der nicht zu den Zartbesaiteten gehört und dem jedes Mittel recht ist, um den Präsidenten in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Publicity ist alles.
Er hat - wie Herb noch - direkten Kontakt zum Präsidenten. Doch das ändert sich im Laufe der Romanhandlung, den Herb macht sich mit einer Reihe von unpopulären Entscheidungen unbeliebt. So lässt er den Tennisplatz abreißen, weil es darum Streit um dessen Belegung gegeben hat - man sollte meinen ein Berater des Präsidenten habe Besseres zu tun...

Auch macht er den Vorschlag, Eiswasser in den Pool des Präsidenten zu gießen ("Operation Arktis"), weil die First Lady und der Präsident sehr angetan voneinander sind und die Nächte nutzen, ihrer Leidenschaft nachzugehen.
Jessica Heath - die First Lady - ist eine gefeierte Schauspielerin und sehr attraktiv, aber auch sehr temperamentvoll und sinnlich. Sicherlich ein Schock für das Personal des Weißen Hauses, die völlig entrüstet auf die "Flitterwochen" des Präsidentenpaares reagieren.

Die Bedeutung Herb lässt sich vielleicht am besten daran ablesen, dass er die "Aufsicht über die Nationale Metrifizierungsinitiative erhalten (hat). Schreckliche Verantwortung." (S.55)
Man sollte glauben, dass ein enger Berater des amerikanischen Präsidenten etwas Besseres zu tun hat, als amerikanische Maße in den metrischen Standard zu übertragen, oder?

Aber er kümmert sich auch darum, dass der Vizepräsident, der es auf den Posten des Präsidenten abgesehen hat, kalt zu stellen, indem er ihn um den Globus reisen lässt.

Die Idee des Präsidenten das Weiße Haus zu öffnen und in regelmäßigen Abständen "echte Amerikaner" zu treffen und mit ihnen zu sprechen, versetzt den vorsichtigen Herb in helle Aufregung. In der Operation "Offene Tür" treten die sozialen Unterschiede zwischen Herb und der Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit Jean Logan zu Tage. Was sind gewöhnliche Amerikaner?
Der Präsident "will Schmutz unter ihren Fingernägeln. Ich will sie riechen können." (S.57)
Während Herb einen "hocharomatischen Packer einer Hühnerfarm in Maryland" (S.59) vorschlägt, wählt Jean Menschen aus, die in Harvard, Princeton oder Yale studiert haben.

Leider scheitert die Mission kläglich und damit wird der schrittweise Untergang Herbs eingeleitet, mit tragikkomischen Szenen, die ich hier nicht vorwegnehmen will.

Die jahrelange "Freundschaft" mit dem Präsidenten sorgt zumindest dafür, dass er im Weißen Haus verbleiben darf - als Berater der First Lady und deren Termine koordinieren darf:
Wohlfahrtsveranstaltungen statt Abrüstung. Kaffeekränzchen statt Sicherheitsrat.
Seine Stunde schlägt, ohne dass er es "blickt", als es zum Streit und Zerwürfnis zwischen dem Präsidentenpaar kommt. Sein treuer Freund Feels ermöglicht ihm den Triumph des Wiedereinzuges in den Westflügel des Weißen Hauses - direkt in eine politische Auseinandersetzung mit Bermuda, die für die Wiederwahl sorgen soll...

Bewertung
Durch die Augen des etwas einfältig wirkenden Herb Wadlough, der seine eigene Wichtigkeit niemals anzweifelt, blicken wir hinter die Kulissen der Macht:
Klatsch und Tratsch - statt politisches Tagesgeschäft. Ränkespiele und Heimtücke im Zentrum der Macht.

Wir erhalten Einblick in das Oval Office und das in einem amüsanten Plauderton, der Skurrilitäten unbedarft aufdeckt. Wir solidarisieren uns mit Herb, dem offenkundigen Looser, der in fast uneingeschränkter Loyalität zum Präsidenten steht. Sich dann doch mit eben jener "Biographie", die wir gerade lesen, auf seine Weise rächt.

Eine wunderbare Satire, die nicht besser in die Zeit passen könnte. Wie eine Vision der Zukunft wirkt der Roman - aus Fiktion wird Realität.

Eine klare Leseempfehlung!