Mittwoch, 18. Januar 2017

Sophie McKenzie: Weil du lügst

- ein Thriller ?

Taschenbuchausgabe, 464 Seiten
Heyne Verlag, 11. April 2016

Vielen Dank an das Bloggerportal, das mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Inhalt
Der Roman besteht aus drei ineinander verwobenen Handlungssträngen. Im ersten, der im Jahr 1992 startet, wird erzählt, wie die 18-jährige Rose ihren Vater während eines Seitensprungs im Schlafzimmer ihrer Eltern beobachtet. Ihre Mutter erfährt von dem wiederholten Fehltritt ihres Vaters und es kommt zu einem Streit, ohne dass Rose ihrer Mutter die Wahrheit beichtet. Statt dessen schützt sie ihre jüngeren Geschwister Martin und die 11-jährige Emily. Nach dem heftigen Streit kommen die Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben und Rose übernimmt die Verantwortung für ihre Geschwister und verzichtet auf ihr Studium. In den Rückblicken wird jeweils geschildert, mit welchen Problemen Rose als "Erziehungsberechtigte" kämpfen muss und dabei ihr eigenes Leben scheinbar in den Hintergrund tritt.

Emily ist die Protagonistin der Haupthandlung, inzwischen Anfang 30 hat sie sich mit dem 50-jährigen Anwalt verlobt. Gemeinsam mit seinen Kindern Dee Dee (13), Lish (18) und ihrer Familie, Rose, Martin und dessem reichen Freund Cameron, verbringen sie einen Urlaub in Koriska. Auch Jeds Bruder Gary ist mit seiner Freundin an Bord. Nachdem Emily Dee Dee abends ein Pulver gegen Kopfschmerzen gibt, das Lish für sie selbst besorgt hat, wacht diese am nächsten Morgen nicht mehr auf. Es stellt sich heraus, dass sie vergiftet wurde. Und dann erhält Emily eine SMS, dass eigentlich sie selbst hätte sterben sollen.
Plötzlich taucht auch noch ihr Ex-Freund Dan auf, der ihr den Verdacht unterbreitet, dass Lish mit gefälschten Medikamenten handelt und im Auftrag seiner Mutter Zoe gehandelt haben könnte, die Emily aus tiefstem Herzen hasst. Galt das vergiftete Pulver ihr?

Der dritte Handlungsstrang besteht aus Tagebuchaufzeichnungen Dee Dees, die etwas ein drei Monate vor ihrem Tod beginnen. Da sie übergewichtig und wenig attraktiv ist, hat sie sich von einem älteren Jungen blenden lassen, der sie - wie es heutzutage geschehen kann - derart ausgenutzt hat, dass er ein Foto von ihrer entblößten Brust gemacht hat und dieses an seine Freunde weiterschickte. Zudem hat er sie unsittlich berührt und auch das brühwarm verbreitet, so dass sie an ihrer Schule gnadenlos als "Hure" gehänselt wird. Haben das Mobbing oder das Geheimnis, das sie Emily vor ihrem Tod anvertrauen wollte, etwas mit ihrem Tod zu tun?

Bewertung
Der Roman liest sich ganz flüssig, ist vom Schreibstil her eher "einfach" gehalten. Auch ist er spannend gestaltet, wenn sich auch gegen Ende hin abzeichnet, wie die Auflösung aussieht. Gerade die letzte "Bombe" ist vorhersehbar und das Finale nicht wirklich packend.

Die Tagebuchaufzeichnungen sind für mich jedoch der eigentliche Schwachpunkt im Kriminalroman. Dee Dee ist unglaublich naiv und ihr Verhalten nach dem Mobbing zwar zu erklären, aber irgendwie kann man ihr Verhalten nicht wirklich nachvollziehen. Dazu hätte die Figur ausführlicher gestaltet werden müssen. Ich konnte ihr in ihrem Verhalten nicht folgen.
Dass ihre Freundinnen überhaupt nicht zu ihr halten und die Lügen des Jungen nicht hinterfragen, scheint mir unwahrscheinlich, denn schenkt man ihren Aufzeichnungen Glauben, gab es zwei gute Freundinnen. Aber vielleicht wollte die Autorin auch ein leichtgläubiges Mädchen erfinden und gleichzeitig vor der Gefahr warnen, sich in der vernetzten Welt auf Fotos allzu freizügig zu zeigen, auf mich wirken diese Tagebucheinträge trotzdem nicht authentisch.
Auch Emily ist als Person in meinen Augen nicht konsequent angelegt. Einerseits wird sie als clever und tough beschrieben, andererseits glaubt sie tatsächlich, dass Jed ihr ohne Weiteres abnimmt, dass Lish einen gescheiterten Giftanschlag (!) auf sie verübt hat, bei dem versehentlich seine Schwester gestorben ist. Der Mann hat gerade seine Tochter verloren und soll nun annehmen, dass sein Sohn daran Schuld ist und seine Verlobte nur vermeintlich akzeptiert - auch das erscheint mir recht naiv. Was ja nicht bedeutet, dass sie nicht Recht hat, aber die Art und Weise, wie sie agiert, ist einfach unglaubwürdig.
Wirklich schade, den Roman "Seit du tot bist" fand ich vor zwei Jahren ganz gut, da er die Lesenden mit Gänsehaut entlässt, während dieser am Ende enttäuscht.