Samstag, 30. September 2017

Anna Porter: Mord auf der Buchmesse

- Doppelmord auf der Frankfurter Buchmesse.

Lesen mit Mira

Taschenbuch, 447 Seiten
Econ&List, 1999

So kurz vor der Frankfurter Buchmesse hat Mira den Vorschlag gemacht, diesen Krimi zu lesen - auch wenn er im englischen Original schon vor gut 20 Jahren erschienen ist.



Worum geht es?
Margaret Drury Carter, Bestsellerautorin romantischer Historienromane, hat einen neuen Literaturagenten -Andrew Myles, der ihr prompt einen großen Deal beschert hat.
An den kanadischen Verleger A&M, für den die Lektorin Marsha Hillier arbeitet, hat er die Rechte für drei Romantik-Thriller verkauft - für 20 Millionen Dollar. Darin enthalten ein "fetter" Vorschuss, natürlich auch für ihn.

Marsha, die Protagonistin des Romans, befindet sich zu Beginn der Handlung auf der Bertelsmann- Party auf der Frankfurter Buchmesse und will ein Gespräch mit Andrew über das versprochene Manuskript des ersten der drei Romane von Drury Carter führen.

"Als sie sich auf die weiche, schwarzlederne Lehne seines Sessels setzte, sackte Andrew Myles leicht nach vorne. (>Was genau meinen Sie mit sacken?<, sollte die Polizei später fragen.)" (S.17)

">Andrew<, sagte Marsha leichthin, >ich frage mich, ob Sie nicht vielleicht etwas für mich haben.< Andrew Myles antwortete nicht. Er war bereits tot." (S.18)

Es stellt sich heraus, dass er mit flüssigem Nikotin vergiftet wurde, auf einer Party mit über 500 Gästen. Keine leichte Aufgabe für den deutschen Kommissar Hübsch, der auch die Lektorin Marsha verdächtigt, die sich in der Nacht nach dem Mord mit ihrer jährlichen Buchhandels-Affäre, dem norwegischen Verleger Bertil, tröstet.

Die Welt der Verleger und Literaturagenten gerät ins Wanken, als es den zweiten Toten gibt:
Jerry Haines, Hauptgeschäftsführer des Fennell-Konzerns, der angeblich ebenfalls die Rechte an den Drury Carter Romanen erworben haben will. Ein Umstand, der bei Marsha für Verwirrung sorgt.
Hat Andrew sie betrogen? Im Rückblick erscheint er als windiger Geschäftsmann, der vor seiner Tätigkeit als Literaturagent an der Börse Geld gemacht hat.

"Sich an die Regeln zu halten, hatte seiner Ansicht nach nur den einen Sinn und Zweck, den anderen das angenehme Gefühl zu geben, daß man ihre Gewohnheiten akzeptierte. Andrew hatte nicht die Absicht, angenehme Gefühle hervorzurufen." (S.38)

Als Marsha wieder in New York ist, stellt sich heraus, dass der Vorschuss, den Andrew erhalten hat, nie bei der Bestsellerautorin angekommen ist. Diese möchte sich jedoch ein Haus auf der kanadischen Insel Grand Manan kaufen und verlangt den zweiten Teil des Vorschusses, obwohl das Manuskript, das Marsha bereits gelesen hat, nicht den Erwartungen entspricht.
So beschließt Marsha zur Insel zu fahren, um selbst mit Margaret zu sprechen - gegen deren Willen und vor allem gegen den Willen ihrer Nichte Elinor, die sich um alle Belange ihrer Tante kümmert.
Auch Marshas beste Freundin Judith, die eine Reportage für Home&Garden über die Autorin und deren Cottage schreiben will, reist gemeinsam mit ihrem halbwüchsigen Sohn Jimmy auf die neblige und malerische Insel.
Es gelingt ihr jedoch nicht, die Bestsellerautorin zu interviewen, die sich zu verschanzen scheint.
Das Ende wartet mit einem packenden Finale und einer interessanten Wendung auf.

Bewertung
Der erste Teil vermittelt einen guten Eindruck in die Literaturszene, in der es letztlich auch ums harte Geschäft geht und darum, dass die Verkaufszahlen stimmen. Besonders die beiden Kanadier Thurgood und Morris, die Inhaber des A&M Verlages, die selbst kein Interesse am Lesen haben, sondern nur am Profit, repräsentieren das Verlags-"Buisness", in dem Andrew Myles mit seiner Geldgier nur ein kleines Rädchen ist. Dazu passt auch die ominöse Saddam Hussein-Biografie, an der er mit verdienen will. Politische oder moralische Verantwortung scheint ihn - im Gegensatz zur Protagonistin - nicht zu kümmern.
Am Ende stellt sich heraus, dass Andrew mit Manuskripten und dem Geld aus den Vorschüssen skrupellos umgegangen ist und genau wie an der Börse spekuliert hat. Insofern desillusioniert der Roman eine Welt, von der wir gerne nur die fertigen Produkte - die literarischen Werke - betrachten, ohne zu hinterfragen, welches Millionen Geschäft zumindest hinter den Bestsellern steckt.
Der zweite Teil ist dann eher ein klassischer Krimi mit Spannungsbogen, falschen Fährten und einem "Showdown" mit entsprechender überraschender Wende.

Der Roman ist nur noch antiquarisch erhältlich - schade eigentlich.

Hier geht es zu Miras Rezension.

Samstag, 23. September 2017

Christopher Morley: Das Haus der vergessenen Bücher

- ein Buch über Bücher.

Taschenbuch, 256 Seiten
Atlantik, 8.September 2014
Die Originalausgabe erschien 1919 unter dem Titel
"The Haunted Bookshop"

Inhalt
Dieser Roman ist den Buchhändlern gewidmet, wie Christopher Morley in seiner Widmung kund tut.

In der antiquarischen Buchhandung "Parnassus", die im Stadtteil Brooklyn in einem gemütlichen Stadthaus der Gissing Street untergebracht ist, spukt es. Das behauptet zumindest der Besitzer des Sammelsuriums kostbarer Bücher, Roger Mifflin. Seine ganze Leidenschaft gehört seinen Schätzen, dem guten Essen, seiner Frau Helen - und seiner Maiskolbenpfeife.
An einem kalten Novemberabend macht er die Bekanntschaft von Aubrey Gilbert, der ein bestimmtes Anliegen hat.

"Ich vertrete die Grey Matter Advertising Agency- Reklame mit Grips, wie der Name schon sagt - und möchte Ihnen zu bedenken geben, ob Sie Ihre Werbung nicht in unsere Hände legen, uns mit der Abfassung schmissiger Werbesprüche für Sie betrauen und uns deren Platzierung in auflagenstarken Medien übertragen wollen. Jetzt, wo der Krieg zu Ende ist, sollten Sie an eine effektive Kampagne zur Erzielung größerer Umsätze denken." (S.11)

Bei Miffley, der nicht einmal eine Registrierkasse besitzt, stößt er dabei auf taube Ohren. Er vertritt die These, dass die Menschen nicht wissen, dass sie Bücher brauchen, also helfe auch keine Werbung dafür.

"Die Menschen gehen erst dann zu einem Buchhändler, wenn sie nach einem schweren Unfall ihrer Seele oder durch Krankheit die Gefahr erkennen. Dann kommen sie hierher. Würde ich Werbung machen, wäre das etwas so sinnvoll, als würde man kerngesunde Menschen zum Arzt schicken." (S.12)

Dennoch lädt Roger Mifflin den jungen Mann zum Essen ein, das seine Gattin gerade einen Familienbesuch in Boston tätigt. Dabei vertraut er Aubrey seine eigene sehr amüsante Küchenphilosophie an:

"In der Küche sehe ich den Schreiben unserer Kultur, die Essenz all dessen, was wohlgestalt ist im Leben." (S.15)

In die beschauliche Welt der Mifflins kommt Bewegung, denn Mr Mifflin hat sich aus Verbundenheit zu einem alten Freund - Mr Chapman, für dessen Kurpflaumen Aubreys Agentur Werbung macht - bereit erklärt, dessen Tochter in den Buchhandel einzuführen. Daher reist die junge Dame, Titania, an, um bei den Mifflins zu wohnen und zu arbeiten.

Ein anderes Ereignis, dass Roger Mifflin aus der Fassung bringt, ist ein verschwundenes, oder vielleicht gestohlenes Buch: Thomas Carlyles Oliver Cromwell.

Seltsamerweise entdeckt Titania eine Suchanzeige in der Zeitung, in der eben jenes Buch als verloren gemeldet wird, von einem Beikoch des Octagon-Hotels. Die gleiche Meldung zeigt auch Aubrey Mr Mifflin und bei der Gelegenheit lernt er die junge Dame kennen und verliebt sich selbstredend in sie.

Aubrey hat jedoch noch Seltsameres zu erzählen. Er begegnet nämlich jenem Koch in der Hotellobby, wobei dieser das Buch in der Hand trägt. Darauf angesprochen scheint er erschrocken und es stellt sich heraus, dass er derjenige gewesen ist, der in der Buchhandlung Paranassus auch nach diesem Roman gefragt hat. Und, das Buch ist zurück, aber mit einem neuen Umschlag.
Noch skurriler wird es, wenn Aubrey den Buchumschlag im Drugstore von Mr Weintraub, einem Deutschen, findet, geistesgegenwärtig steckt er es ein und wird anschließend auf einer Brücke überfallen.
Was geht da vor sich? Er beschließt die Buchhandlung zu beschatten und Titania zu beschützen.


Bewertung

"Das sogenannte gute Buch gibt es nicht. Ein Buch ist nur dann gut, wenn es menschlichen Hunger stillt oder einen menschlichen Irrtum widerlegt. Ein Buch, das aus meiner Sicht gut ist, ist für Sie vielleicht ohne jeden Wert." (S.13)

Die Ausführungen Roger Mifflins zu der Literatur, der amerikanischen, zum Buchhandel, zur Weltlage sind interessant zu lesen und manchmal erschreckend aktuell. Zum Beispiel, wenn er den patriotischen Egoismus als Ursache der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Staaten anprangert:

"Lasst uns die Welt lieben, lasst uns die Menschheit lieben - und nicht nur unser Land. Deshalb ist die Rolle so wichtig, die wir auf der Friedenskonferenz spielen werden. Unser Motto dort drüben muss "Amerika zuletzt" lauten, und darauf sollten wir stolz sein, denn als einzige Nation sollte es uns da drüben nicht um Eigennutz gehen, sondern nur um den Frieden." (S.114)

Vielleicht sollte man dem amerikanischen Präsidenten diesen Roman zur Lektüre empfehlen!

Der Spionagefall ist zweitrangig und recht konfus, allerdings sorgt er im letzten Teil des Romans für eine Spannungssteigerung, während der erste Teil den Reflexionen, die manchmal etwas zu ausschweifend sind, und dem Wert der Bücher gewidmet ist.

Dafür entschädigen die Erzählerkommentare:

"Unsere Leser würden uns berechtigtermaßen grollen, wenn wir uns nicht an einer Beschreibung der jungen Dame versuchen würden, und wir wollen die wenigen Häuserblocks, die sie auf der Gissing Street zurücklegte, dazu nutzen." (S.65),

die genau, wie die heutzutage altmodisch wirkende Sprache den ganz besonderen Reiz dieses ruhigen Romans ausmachen, der betulich die Spionage Geschichte entwickelt, um sie überraschend aufzulösen.

Ein Roman, der sich an Bibliophilie richtet und für Lesevergnügen sorgt.

Und ich weiß jetzt, dass ich eine "Librocubicularistin" bin, jemand, der gerne im Bett liest ;)


Dienstag, 19. September 2017

Anne B. Ragde: Sonntags in Trondheim

- ein unterhaltsamer Abschluss der Familiensaga.

Klappentext Rückseite
Taschenbuch, 352 Seiten
btb Verlag, 14. August 2017

Der Roman ist der letzte Teil der Geschichte um die Familie Neshov, die mit "Das Lügenhaus" begonnen hat und in "Einsiedlerkrebse" und "Hitzewelle" fortgeführt wird.

Anna Neshov hat gemeinsam mit ihrem Schwiegervater Tallak drei Söhne gezeugt und ihren eigentlichen Ehemann Tormod bevormundet und menschenunwürdig behandelt.
Der älteste Sohn Tor ist nach dem Tod der Mutter auf dem Hof geblieben und hat die Schweinezucht weitergeführt, während Margido ein Bestattungsunternehmen eröffnet hat und der jüngste, Erlend, nach Dänemark geflüchtet ist. Dort lebt er mit Krumme zusammen und gemeinsam mit dem lesbischen Pärchen Jytte und Lizzi haben sie beschlossen Kinder in die Welt zu setzen. Torunn, Tors Tochter aus einer kurzen Affäre, hilft ihrem Vater auf dessen Hof, als er in einer ausweglosen Situation steckt. Dann stirbt er an einem Herzinfarkt. Am Ende des letzten Bandes läuft Torunn davon, da Erlend und Krumme aus den Silos auf dem Hof schicke Ferienwohnungen gestalten wollen und sie glaubt, jeder missbrauche sie für seine Zwecke. Seitdem steht der Hof leer und Tormod lebt in einem Altenheim.

Inhalt
Klappentext Vorderseite
Einige Jahre danach setzt die Handlung ein. Torunn hat ihre Beteiligung an der Tierklinik verkauft und lebt wieder mit Christer zusammen, ein Mann, der sein Geld mit Aktiengeschäften verdient und Schlittenhundrennen fährt. Und der sie schamlos betrügt, worüber sich ihre Freundin Margaret furchtbar aufregt. Lange nimmt Torunn dies hin, doch irgendwann ist es ihr zuviel. Sie beschließt kurzentschlossen ihren Onkel Margido aufzusuchen, der aus allen Wolken fällt. Abwechselnd aus der Sicht Margidos, Torunns und Erlends wird der erste Teil des Romans erzählt. Erlend ist inzwischen Vater und im Rückblick erfahren die Leser*innen, wie er und sein Partner die Zeit der Schwangerschaft ihrer lesbischen Freundinnen erlebt haben, wie die Kinder auf die Welt gekommen sind und sich im Leben der beiden Paare eingerichtet haben - bis ein Herzinfarkt Krummes diese Welt ins Wanken bringt.
Der zweite Teil fokussiert sich auf Torunn, die mit 40 Jahren beschlossen hat, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Sie will zum Hof zurückkehren und einen neuen Anfang wagen - mit ihrer Familie.

Bewertung
Nachdem der letzte Band der Reihe etwas abrupt geendet hat und viele Fragen offen geblieben sind, schließt die Autorin mit diesem Teil die Familiengeschichte glücklich ab. Ein schöner Unterhaltungsroman, mit Humor und melancholischen Szenen, der aber nicht an den ersten Roman dieser Reihe herankommt, in der ein dunkles Familiengeheimnis - die Identität des wahren Vaters der drei Jungen - im Vordergrund gestanden hat. Torunn entwickelt sich als Figur und gibt ihrem Leben eine neue Richtung. Witzig sind die Schilderungen Erlends über die Schwangerschaft und die Zeit danach - die ungewöhnliche Konstellation, dass ein schwules Pärchen mit einem lesbischen beschließt Kinder in die Welt zu setzen, hat einen gewissen Charme.

Insgesamt gute Unterhaltung, nicht mehr, aber auch nicht weniger ;)







Sonntag, 17. September 2017

Carlos Ruiz Zafón: Das Labyrinth der Lichter

- ein Ohrenschmaus.

Quelle: pixabay
Hörbuch von Audible
gesprochen von Uve Teschner
27 Stunden 26 Minuten


Kleine Leserunde auf whatchareadin
mit Sabine







Obwohl es der 4.Band der Reihe "Friedhof der vergessenen Bücher" ist, lässt sich dieser Teil unabhängig von den anderen lesen bzw. hören. Ich habe selbst vor Jahren "Im Schatten des Windes" gelesen und während des Hörens kam die ein oder andere Erinnerung daran auf. Doch die Geschichte steht für sich und ist extrem spannend und gut erzählt.

Inhalt
Zu Beginn begegnet uns Daniel Sempere, der von seinem Vater im ersten Band in das Geheimnis des Friedhofs der vergessenen Bücher eingeweiht wird.
Inzwischen ist er mit Beatrix verheiratet, hat einen vierjährigen Sohn, Julian, und ist mit seinem Vater gemeinsam Besitzer der Buchhandlung Sempere. Auch sein alter Freund Fermin ist noch an seiner Seite und sorgt mit seiner metaphorischen Sprache und seinen Zoten für Heiterkeit.

Er erzählt im Rückblick von seiner Ankunft in Barcelona im Jahre 1939, als er als blinder Passagier auf einem Schiff die Botschaft seines Freundes an dessen Frau (seiner einstigen Liebe) überbringen will. Dabei wird er von seinem alten Feind, dem brutalen und skrupellosen Fumero von der Geheimpolizei entdeckt, kann aber fliehen. Er erreicht das Haus seines Freundes, trifft aber nur dessen Mutter an sowie die kleine 8-jährige Alicia, die ihr Lieblingsbuch in der Hand hält: "Alice im Wunderland." Das Haus wird bombardiert, es gelingt Fermin sich und Alicia zu retten, gemeinsam fliehen sie im Feuer durchtränkten Barcelona.
Doch sie verlieren sich und Alicia stürzt in eine Bücherkathedrale - mitten in den Friedhof der vergessenen Bücher. Schwer verletzt überlebt sie diese Nacht und träumt immer wieder von diesem Ort - doch Fermin glaubt, sie habe nicht überlebt und er habe seinen Freund "verraten".

Die Handlung springt ins Jahr 1959. Der Kulturminister Mauricio Valls gibt gerade ein rauschendes Maskenfest, während seine schwer kranke Frau dahin vegetiert, sich seine Tochter Mercedes jedoch gut amüsiert.
Valls wird bedroht - mit Briefen, auch einen Anschlag hat es bereits auf sein Leben gegeben. An diesem Abend erhält er ein schwarzes Buch - es gehört zur Reihe "Das Labyrinth der Lichter" von Victor Mateix, der im Gefängnis Montjuic gesessen hat, in dem Valls während und nach dem Bürgerkrieg Gefängnisaufseher gewesen ist. Valls glaubt, dass hinter den Drohungen und dem Anschlag der Schriftsteller David Martin steckt, der gemeinsam mit Mateix eingeperrt war.
Valls versucht sich in Sicherheit zu bringen und verschwindet spurlos - nur sein Auto wird mit Blutspuren aufgefunden.

Alicia - jene Alicia, die Fermin hatte retten wollen - soll sich auf die Suche nach Valls machen. Sie arbeitet für Leandro, der wiederum der Politischen Polizei zuarbeitet. Er war es, der sie herunter gekommen auf den Straßen Barcelonas aufgelesen hat und sie zur einer Art "Geheimagentin" ausgebildet hat. Mehr oder weniger gezwungen arbeitet sie sehr effektiv für ihn, möchte ihn und ihre Arbeit jedoch verlassen. Der Fall Valls solle ihr letzter werden, verspricht Leandro, dann sei sie frei.
Gemeinsam mit dem Polizisten Vargas ermittelt sie und ihre Spur - nämlich der 4.Band der Reihe "Das Labyrinth der Lichter", den sie bei Valls finden, führt sie von Madrid nach Barcelona, auch in die Buchhandlung Sempere, die sie bereits als Kind besucht hat.
Alicia recherchiert die Fakten zu Victor Mateix und sie stoßen auf weitere ehemalige Insassen des Gefängnis Montjuic. So soll ein gewisser Salgado die Briefe geschrieben haben, er ist jedoch selbst ermordet worden.
Ein Fall mit vielen Handlungsfäden, die am Ende in einem Trommelwirbel entwirrt werden, bevor der Roman in einem ruhigen Fahrwasser zu Ende geht.

Denn Julian Sempere verfolgt das ehrgeizige Projekt, die Geschichte seiner Familie zu erzählen und mit diesem Kunstgriff führt Zafon alle Teile der Reihe - "Der Schatten des Windes", "Das Spiel der Engel", Der Gefangene des Himmels" und "Das Labyrinth der Lichter" - geschickt zusammen.

Bewertung
Trotz der sehr langen Hörzeit wird dieser Roman - bis auf den letzten Teil, der etwas ausufert - nicht langweilig. Im Gegenteil, ich bin in eine Art Sog geraten und wollte immer weiter hören, was auch dem hervorragenden Vorleser gelegen hat. Vielen Dank an Literaturhexle, die mir alle Namen aufgeschrieben hat, denn beim Hören der spanischen gerät man zu Beginn durcheinander.

Eine sehr spannende Geschichte, in der man wenig vorhersehen kann und die Charaktere glaubwürdig agieren, die Handlung immer wieder Fahrt aufnimmt, es aber auch ruhige, reflektierende Passagen gibt. Die Fäden entwirren sich zufriedenstellend am Ende, wenn auch der ein oder andere sympathische Protagonist auf der Strecke bleibt.
Meine Lieblingsfigur ist der kauzige Fermin, über dessen Sprache und Witze ich immer wieder lachen musste.
Der geschichtliche Hintergrund hätte für meinen Geschmack noch stärker thematisiert werden können, da ergeht sich Zafon in vielen Andeutungen, während die Topographie Barcelonas ausführlich geschildert wird.

Insgesamt ein echter Hörgenuss, ein opulenter, nach dem ich persönlich jetzt was Leichteres und sprachlich Puristischeres brauche ;)

Auf whachtareadin ist unser gesamter Dialog zu lesen:

Literaturhexles Meinung
Ich bin total begeistert vom Erzählstil des Autoren: Die Sprache erscheint ein klein wenig distinguiert, aber passend zur Zeit, in dem es spielt. Auch gibt es in Spanien starke Standesunterschiede, auf die auch in Dialogen Rücksicht genommen wird. Trotzdem blitzt hier und da auch Humor auf. Viele Namen treten schon im ersten Viertel auf. Zum Glück habe ich das Buch hier, wenn man sie geschrieben sieht, ist das Einprägen leichter. Auch die Zeitsprünge kann man im Buch leichter nachvollziehen.
Die Figuren sind sehr genau gezeichnet, der Autor kann die Atmosphäre mit seinen Worten heraufbeschwören, die recht dunkel und geheimnisvoll ist. Das Personal ist zum Teil mit dem der Romanvorgänger identisch. Man kann das Labyrinth der Lichter aber völlig losgelöst lesen.

Donnerstag, 7. September 2017

Nicholson Baker: Das Regenmobil

- ein launiger Monolog darüber, wie man einen Songtext schreibt.

Taschenbuchausgabe, 300 Seiten
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 21. Juli 2017

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar, hier geht es zur Buchseite des Verlages.

Inhalt

Paul Chowder ist Lyriker, "bekannt" geworden durch eine Anthologie "Reim allein", die ihm immer noch Tantiemen und einige Vorträge einbringt.
Zur Zeit lebt er auf einem alten Bauernhof in Maine, gemeinsam mit seinem Hund und trauert seiner Ex-Freundin Rosslyn nach.

Zu seinem 55. Geburtstag wünscht er sich sehnlichst eine Akkustikgitarre, die er sich kurzerhand selbst schenkt. Denn statt Gedichte zu schreiben, hat er sich vorgenommen ab jetzt Songtexte zu komponieren. Dabei experimentiert er mit Wortkaskaden und verschiedenen Akkorden, Klängen und allem, was Geräusche macht.

"Ich möchte Songs schreiben. Keine Gedichte mehr - Songs." (S.28)

Der Ich-Erzähler lässt uns in einem inneren Monolog daran teilhaben, welche Herausforderungen ein Songtext mit sich bringt:

"Er (gemeint ist sein Freund Tim) sagte: "Schreib doch mal ein Buch darüber, wie du versuchst, einen Protestsong zu schreiben."
"Das mache ich ja schon irgendwie", sagte ich." (S.183)

Neben den Songtexten gilt sein Interesse doch immer noch der Lyrik. Ein Gedicht von Keats,

"Bevor die Feder noch hat eingebracht/ Die Ernte meines Geistes..." (S.10)

fasziniert ihn, ebenso Gedichte über Fagotte und Musikstücken mit Fagott, da er selbst Fagott gespielt hat. Besonders Debussys "versunkene Kathedrale" hat es ihm angetan.

Und natürlich hat er ein Faible für Regenmobile:

"Das Regenmobil ist ein langsam fahrendes Techno-Dance-Trance-Gerät aus schwerem Metall mit zwei weißen gusseisernen Hinterrädern, die sich in die Erde graben, und obendrauf einer Art Taktstock oder Hubschrauberflügel, der sich dreht. Der Schlauch wird am Heck angeschraubt. Das Schlauchwasser fließt mit Hochdruck in den Anus bzw. das Rektum des Traktors. Es läuft durch den Traktor hoch und tritt an den Löchlein am Ende der rotierenden Wirblis aus und fliegt in einem gleißenden Bagel sinusoider Formen auf den Garten." (S.247)

Paul kümmert sich jedoch auch um Menschen - um seine Nachbarin Nan, deren Hühner er des Öfteren versorgt und deren Sohn Raymond ihm beim Komponieren hilft. Und vor allem kümmert er sich liebevoll um Rosslyn, die krank ist und die er davon überzeugen will, dass er der Richtige für sie ist. Nicht ihr derzeitiger Freund Harris. Ob ihm das gelingen kann?

Bewertung
Zunächst kommt der Roman etwas belanglos daher. Ein mittelmäßiger Lyriker, der sich vorgenommen hat, Songtexte zu schreiben und darüber hinaus mit Tabak und Zigarren experimentiert.
Doch die Gedanken Pauls sind alles andere als belanglos, wenn er sich zu amerikanischen Lyrikern oder zu klassischen Komponisten äußert. Oder wenn er beschreibt, welche Rolle ein Fagott in unterschiedlichen Musikstücken spielt oder wenn er sich vehement gegen die Drohnen im Kampf gegen den Terrorismus ausspricht. Er geht Fragen nach wie,
"was ist metaphorische Interferenz?" (S.49)
und zeigt sich in zwischenmenschlichen Beziehungen als warmherziger Freund.

Die musikalischen Experimente und die sehr detaillierte Beschreibung, wie man einen Song komponiert, die Wortfindungen waren mir jedoch zu ausführlich und dadurch letztlich zu langatmig.
Menschen, die selbst mit Musik experimentieren und sich in diesem Gebiet auskennen, werden das zu schätzen wissen - im Gegensatz zu mir.