Samstag, 30. April 2016

Frank P. Meyer: Hammelzauber

- (k)ein Krimi?

Buchdaten:
Gebundene Ausgaben: 464 Seiten
Verlag: Conte-Verlag
Erschienen am: 1.März 2016
ISBN-13: 978-3956020872

Inhalt: 
In der ersten Kirmesnacht 2040 geschehen in Primstal 12 Straftaten, darunter eine Entführung, Körperverletzung, versuchte Vergewaltigung, Diebstahl und sogar ein Todesfall mit Leichenschändung sowie ein Fischfrevel.
So muss die Saarbrücker Kommissarin Paula Lück ins "verstrahlte" Nordsaarland. Und verstrahlt ist hier wortwörtlich gemeint. 2024 hat es im Atomkraftwerk Cattenom, das unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze liegt, einen Supergau gegeben, so dass große Teile des Saarlandes, Luxemburgs und Frankreichs Sperrgebiet sind. Das Dorf Primstal liegt genau an der Grenze der Sperrzone und die Bewohner weigerten sich nach der atomaren Katastrophe ihr Dorf zu verlassen. Sie durften unter der Bedingung bleiben ein Musterdorf zu werden - dafür haben sie eine entsprechenden Geldbeitrag in Form einer gemeinnützigen Stiftung erhalten. So gibt es in Primstal eine Dorfmensa, ein Gesundheitszentrum und eine vorbildliche medizinische Versorgung mit Pflegepersonal aus Afrika und Asien, das sich um die vorwiegend ältere Dorfbevölkerung kümmert. Auch die Gesundheitsarmbänder, die die Vitalfunktionen permanent überwachen und gleichzeitig den Aufenthaltsort verraten, sind Teil einer zukünftigen Welt, die gar nicht so unrealistisch erscheint. Ebenso wenig wie selbstfahrende Autos, Überwachungsbildschirme in jedem Haushalt und auf den Straßen sowie Medikamentendrohnen, die morgens die tägliche Dosis Pillen nach Hause liefern.

Donnerstag, 28. April 2016

Orhan Pamuk: Diese Fremdheit in mir



Wer verstehen will, warum Istanbul heute nicht mehr die tolerante, multikulturelle Stadt ist, die sie einmal war, sollte den neuen Roman des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk lesen. (Süddeutsche Zeitung)

Inhalt
Der erste Teil des Romans über den Straßenverkäufer Mevluts beginnt mit der Entführung einer jungen Frau.
Mevlut hat sich auf der Hochzeit seines Cousins in eine schwarzäugige Schönheit verliebt, die jüngste Schwester der Braut. Drei Jahre lang schreibt er ihr Liebesbriefe nach Anatolien und entführt sie schließlich mit Hilfe seines Cousins. Doch es stellt sich heraus, dass er statt der schwarzäugigen Samiha, ihre ältere Schwester Rayiha aus ihrem Dorf nach Istanbul mitgenommen hat. All seine Briefe hat sie erhalten, ein Schachzug seines Cousins, wie sich im weiteren Verlauf des Romans herausstellt, in dem diese Briefe und die Verwechslung Mevluts Leben mitbestimmen.

Sonntag, 24. April 2016

Sylvia B.Lindström: Inselfeuer

Ein Öland-Krimi.

Buchdaten
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: Aufbau Taschenbuch
Erschienen am: 12. Februar 2016
ISBN-10: 3746631920
ISBN-13: 978-3746631929

Vielen Dank an den Aufbau Verlag, der mir diese Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Vorne weg
Ich bin ein großer Fan skandinavischer Kriminalromane und habe u.a.Henning Mankell, Anne Holt, Jan Costin Wagner und auch Arnaldur Indriðason gelesen, in deren teilweise recht düsteren Romanen vor allem die Motive der Täter im Vordergrund stehen und auch gesellschaftlich-politisch Themen aufgegriffen werden. Die kleine Insel Öland ist mir in den Romanen von Johan Theorin begegnet, der Ölands Landschaft wunderbar poetisch beschreibt und dessen Krimi "Nebelsturm" mich mit seiner mystischen Atmosphäre beim Lesen sofort in seinen Bann gezogen hatte. Ich bin also mit sehr hohen Erwartungen an den Krimi herangegangen, die nur teilweise erfüllt worden sind.

Inhalt
Der Roman beginnt sehr düster, ohne dass es der Autorin jedoch gelingt die besondere Topographie Ölands erlebbar zu machen.
Im Mittelpunkt steht zu Beginn die schöne Anwältin Alasca Rosengren, die gemeinsam mit ihrem 12jährigen Sohn Kristian bei ihrer 98jährigen (!) Großmutter lebt. Eine Serie von Brandstiftungen und brutalen Morden erschüttert Öland. Da vor ca. 10 Jahren Jorma Brolin, Tischler, Hufschmied und Ölands unumstritten stärkster Mann für eine ähnliche Tat in Untersuchungshaft gesessen hat - jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde - scheint der Schuldige klar zu sein. Jormas Herkunft ist umstritten, angeblich sind sein Großvater und sein Vater identisch. Jorma ist mit der anspruchsvollen Yvonne verheiratet, die ihn finanziell regelrecht "aussaugt" und Grund für seine hohe Verschuldung ist - aber ohne Yvonne ist er nach eigener Aussage "niemand." Nach seiner Entlassung soll er diejenigen, darunter seine eigene Mutter, die ihren Hass auf ihn unumwunden äußert, unter Druck gesetzt haben, ihm eine finanzielle Entschädigung zu zahlen.
Neben diesen Figuren spielen aber auch noch andere Ölander eine wichtige Rolle, da gibt es den Maler Persson, der vor vielen Jahren ein altes Haus restauriert hat und eine Vorliebe für sehr junge Mädchen hegt und einst sehr viel Zeit und "Liebe" in eine heute erwachsene Ölanderin inverstiert hat. Seine aktuelle Favoritin ist zugleich Jormas Tochter, die wiederum mit Alascas Sohn Kristian befreundet ist. Dieser trägt ein dunkles Geheimnis mit sich, das mit den Bränden zu tun hat. Jorma scheint das Geheimnis zu kennen.
Jorma Brolins Verteidiger vor 10 Jahre war Stellan Qvist, ein gewiefter Anwalt, der ebenso offenkundig in Alasca verliebt, jedoch mit einer anderen verheiratet ist.

Mittwoch, 20. April 2016

Rabih Alameddine: Eine überflüssige Frau

- ein stiller Roman, in der eine 72Jährige über ihr Leben reflektiert.

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 470 Seiten
Verlag: Louisoder
Erschienen am: 24. Februar 2016
ISBN-10: 3944153308
ISBN-13: 978-3944153308
Originaltitel: An Unnecessary Woman


Mein besonderer Dank gilt dem Louisoder Verlag, der mir dieses Rezensionsexpemplar zur Verfügung gestellt hat.

Inhalt
Bin ich eine überflüssige Frau?
Diese Frage stellt sich die 72-jährige Aaliya Saleh, die seit ihrer Scheidung mit Anfang 20 alleine in Beirut lebt. Um die Frage zu beantworten - reflektiert sie über ihr bisheriges Leben.

"Man könnte sagen, dass ich mit den Gedanken woanders war, als ich meine Haare blau wusch, und zwei Gläser Rotwein haben zu meiner Konzentration auch nicht gerade beigetragen. Ich will es erklären. Zunächst sollten Sie Folgendes über mich wissen: Ich habe nur einen einzigen Spiegel zu Hause, und der ist schmutzig." (S.7)

Aaliyas Vater, der sie sehr geliebt hat, starb, als sie noch keine zwei Jahre alt war. Ihre Mutter heiratete daraufhin seinen Bruder - was macht man sonst mit einer jungen Witwe im Libanon Ende der 30er Jahre? Aus der neuen Ehe gehen vier Brüder und eine Schwester hervor, mit der Aaliya Zeit ihres Lebens wenig verbindet.

Freitag, 8. April 2016

Nino Haratischwili: Das achte Leben (Für Brilka)

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 1280 Seiten
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
Erschienen am: 1. September 2014
ISBN-10: 3627002083
ISBN-13: 978-3627002084

Vorne weg
Was für ein gewaltiger Roman und das in vielerlei Hinsicht. Zunächst umfasst er unglaublich viele Seiten und abends beim Lesen ist die Hardcover-Version auch eine echte Herausforderung - kräftemäßig.
Ein Roman, in dem die Familiengeschichte einfühlsam von Niza, der Ich-Erzählerin, für ihre Nichte Brilka erzählt wird. Eine Geschichte mit unzähligen Einzelschicksale, die fast alle tragisch sind und traurig stimmen. Trotz allem ein großartiger Roman, der auch die Geschichte Georgiens und damit verknüpft der Sowejtunion im 20.Jahrhundert mittels der einzelnen Figuren erlebbar macht.


Inhalt
Im Prolog reflektiert die Ich-Erzählerin darüber, welchen Anfang diese Geschichte haben soll und spricht ihre Adressatin direkt an. Der ganze Roman ist als eine Art Dialog zu sehen bzw. als Brief an die Nichte (an Brilka) zu sehen. Ein Brief, in dem Niza Jaschi ihre Familiengeschichte erzählt und Brilka ihre Wurzeln, ihren Ursprung und auch ihre Bürde erklären will, damit sie ein neues, ein unbelastetes, das achte Leben beginnen kann. So ist der Roman in 8 Bücher unterteilt, wobei das letzte - noch "leere" Brilka gewidmet ist.

Stammbaum der Familie Jaschi

Montag, 4. April 2016

Kressmann Taylor: Adressat Unbekannt

- ein beeindruckender und weitsichtiger Briefroman.

Buchdaten
Broschiert: 76 Seiten
Verlag: Hoffmann und Campe
Erschienen am: 2014 (8.Auflage)
ISBN-13: 978-3-455-40415-9
Originaltitel: Adress Unknown

Vorne weg
Der Briefroman erschien 1938 in der September/Oktober-Ausgabe der New Yorker Zeitschrift Story. Über 60 Jahre später wurde er auch in Deutschland und Frankreich zum Bestseller.
Der kurze Roman, der nur 63 Seiten umfasst, vermag es - wie es im Nachwort heißt - "das zersetzende Gift des Nationalsozialismus erzählerisch" unglaublich bewegend darzustellen. Ein kleines Büchlein dem Aufmerksamkeit gebührt!

Inhalt
Der amerikanische Jude Max Eisenstein, der in San Francisco mit seinem Freund Martin Schulse eine Kunstgalerie aufgebaut hat, schreibt eben diesem Freund, der 1932 mit seiner Familie nach Deutschland zurückgekehrt ist. Zeugen die Briefe zu Beginn noch von einer tiefen Vertrautheit, ist Mr Eisenstein ob des aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland besorgt und wünscht sich eine Aufklärung von seinem in München lebenden Freund. Dieser jedoch, obwohl er zunächst Zweifel hegt, lässt sich von der Begeisterung für den Faschismus mitreißen und distanziert sich von seinem jüdischen Freund. Zudem verweigert er dessen Schwester, mit der er eine gemeinsame Geschichte teilt, seine Hilfe. Aufgrund dieser Unmenschlichkeit rächt sich Max Eisenstein an seinem ehemaligen besten Freund. Der Roman endet 1934.

Bewertung
Dieser fiktive Briefwechsel, den man innerhalb kürzester Zeit gelesen hat, berührt zutiefst. Zeigt er doch, welche verheerenden Folgen die nationalsozialistische Propaganda hat und zu welcher Verblendung und Unmenschlichkeit sie führt. Umso beeindruckender ist, dass dieser Roman bereits 1938 erschienen ist, welche Weitsicht auf das, was die jüdische Bevölkerung in Deutschland noch zu erleiden haben wird. Wie Elke Heidenreich in ihrem Nachwort schreibt, befriedigt der Roman unseren Wunsch nach Vergeltung und Gerechtigkeit, denn Max Eisenstein findet einen Weg, die unterlassene Hilfeleistung seines ehemaligen Freundes auf einfallsreiche Art zu rächen.
Absolut lesenswert!