Leserunde auf whatchaReadin
Der Roman "springt" in die Handlung, denn gleich zu Beginn wird im zeitdehnenden Erzählen der Sprung der Protagonistin Manu beschrieben. Dass Manu springt, wird bereits im Klappentext verraten. (Schade eigentlich)
Nach diesem furiosen Einstieg "springt" die Handlung auf den
Tag davor zurück und wir erfahren, wie verschiedene Figuren diesen erlebt
haben. Aus wessen personaler Perspektive erzählt wird, erfährt man jeweils
anhand der Kapitelüberschrift.
Dreh- und Angelpunkt ist zunächst Roswithas Gastwirtschaft
am Markt der kleinen süddeutschen Stadt Thalheim. Die Wirtschaft bietet mit der
empathischen Wirtin eine Anlaufstelle für einsame, traurige, aber auch
glückliche Menschen.
Da sitzt zunächst der Polizist Felix, der gerade eine
Fortbildung absolviert hat, wie man mit suizidgefährdeten Personen umgeht und
dessen Frau Monique schwanger ist. Irgendein Problem belastet ihn und trübt die
Beziehung zu Monique. Er zieht sich zurück und ist nicht in der Lage mit ihr
darüber zu reden.
Auch in Marens Ehe gibt es Probleme, seit ihr Mann Hannes zu
einem Fitness- und Gesundheitsfanatiker mutiert ist und er sie nicht mehr „sein
Pralinchen“ (26) nennt.
Egon ist wie Felix Stammgast in der Gastwirtschaft. Der gelernte Hutmacher musste seinen Laden schließen, in dem befindet sich jetzt eine
Handyklinik. Als Vegetarier verabscheut er seine neue Arbeit
in der Schlachterei. Immer dienstags ist Schweineaugentag, dann erscheint der
Fahrradkurier Finn und die beiden rauchen zusammen eine Zigarre. Finn, der
eigentlich mit seinem Fahrrad eine Weltreise machen will, aber wegen Manu
zurzeit in Thalheim gestrandet ist.
Manu, die Biologie studiert hat, arbeitet als Gärtnerin und rettet
eingetopfte Pflanzen, um sie in ihr „Topfpflanzenasyl“ im Wald zu setzen. Eine
schräge Figur, über deren Vergangenheit Finn kaum etwas weiß, aber er weiß,
„(w)enn er mit ihr unterwegs war, kam es ihm vor, als hätte
jede noch so banale Situation einen aufregenden Backstagebereich, zu dem nur
sie ihm Zutritt verschaffen konnte. An ihrer Seite war er sich sicher, nichts
zu verpassen. Er genoss das trügerische Gefühl, dass alles sich zum Guten
veränderte, dass er selbst sich veränderte durch Manu, zu einem Menschen, mit
dem er es besser aushielt allein, in eine bessere Version seiner selbst.“(35)
Warum ausgerechnet Manu auf dem Dach steht und springen will, kann man zu dem Zeitpunkt noch gar nicht verstehen.
Auch Henry hat einen besonderen Zugang zur Natur, allerdings
liegt seine beste Zeit hinter ihm, denn im Moment lebt er als Obdachloser auf
der Straße. Henry gehört zu den Figuren, über die ich gerne mehr erfahren hätte.
Der erste Tag
Auf dem Marktplatz in Thalheim befindet sich auch das
Geschäft von Theres und Walter, mit dem es, seit sich außerhalb Discounter
angesiedelt haben, bergab geht, was Walter in eine Depression stürzt. Theres
lebt für ihre Überraschungseier-Sammlung, das tägliche Öffnen von sorgfältig
ausgewählten Eiern scheint ihr Highlight zu sein.
Doch als Edna, eine ältere Dame, ehemals Lokführerin, Manu
auf dem Dach des Hauses oberhalb von Marens Wohnung entdeckt und die Polizei
informiert, ist auf dem Marktplatz – und plötzlich auch im Laden - die Hölle
los. Felix wird zu dem Einsatz gerufen, er soll mit der jungen Frau verhandeln.
Die Polizei reagiert über, anstatt den Platz zu räumen, taucht sogar das
Fernsehen auf, Schaulustige versammeln sich, drehen Filme.
Unter ihnen die Jugendliche Winnie, die
aufgrund der Tatsache, dass sie nicht dem gängigen Schlankheitsideal
entspricht, in ihrer Klasse ausgegrenzt wird. Der Handlungsfaden um Winnie und
ihrer Widersacherin Salome gehört zu den wenigen, die ich nicht so überzeugend
fand. Auch das Verhalten von Manus Schwester Astrid, die gerade als
Bürgermeisterin von Freiburg kandidiert, ist wenig glaubwürdig. Da bedient sich
die Autorin einiger Klischees, ebenso bei der Darstellung des italienischen
Designers, ein Handlungsstrang, auf den ich hätte verzichten können.
Allerdings haben diese Szenen auch komische, fast schon
satirische Elemente, die jedoch in meinen Augen nicht ganz stimmig zu den sehr
ernsten sind.
Doch auf den „schwächeren“ Mittelteil des Romans folgt der
„zweite Tag“ und es kommt zu einigen überraschenden Wendungen sowie Einblicken
in die Vergangenheit der Figuren, die erklären, warum sie in dieser Situation
so reagiert haben.
Die Ausnahmesituation um Manu zeigt, wie ein einzelnes
Ereignis, viele Personen beeinflusst, manche sogar so sehr, dass ihr Leben eine
neue Wendung erfährt. Wie ein Stein, der ins Wasser fällt und seine Kreise
zieht.
Beeindruckt hat mich auch die Sprache des Romans, so dass
ich ihn trotz einiger Szenen, die mir weniger gut gefallen haben, gerne weiter
empfehlen werde.