Donnerstag, 21. März 2024

Dana von Suffrin: Nochmal von vorn

Leserunde auf WhatchaReadin


Ich hatte etwas Probleme in diese Geschichte hineinzufinden, da die Zeitebenen hin- und herspringen. Der Roman beginnt recht humorvoll  mit dem Treffen verschiedener Außenminister im Jahr 1940, die über die Region Siebenbürgen entscheiden - ein Treffen, das tatsächlich stattgefunden hat.
Die Region, in der die Großeltern der Protagonistin leben, wird Ungarn zugesprochen. 
Im 1.Kapitel erfährt Rosa in ihrem Viererbüro, dass ihr Vater im Krankenhaus gestorben ist. Danach ist sie "in dem Zustand (...), den (sie sich) mir immer gewünscht ha(t): an gar nichts denkend, vollkommen leer." (S.13)

Während sie an ihre ältere Schwester Nadja denkt, wird sie wütend, da diese sich der Familie regelrecht entzogen hat, sie sei verantwortungslos, aber nicht abgestumpft. Nachdem sie im Krankenhaus war, fährt Rosa in die Wohnung ihres Vaters, der in einem Mietshaus gewohnt hat, in dem auch viele Studenten leben, und offensichtlich ein komischer Kauz gewesen ist:
"Mein Vater muss den Nachbarn als Sonderling gegolten haben, als alter, dürrer Typ, der kein >>ch<< ansprechen konnte (und der, wenn er in Wut geriet, ständig alle Buchstaben verwechselte, worüber wir früher in einer grenzenlose, unsinnige Heiterkeit verfallen waren)" (S.22); "Er lebte wie ein Schatten" (S.23).

Insgesamt entsteht der Eindruck einer dysfunktionalen Familie, die rebellische Schwester Nadja, der schwermütige Vater und die Mutter, die ihre Familie verlassen hat, und irgendwo dazwischen steht Rosa.
Ihr jüdischer Vater, der in Israel groß geworden ist, ist zwar Chemiker, seine Abschlüsse wurden in Deutschland jedoch nicht anerkannt, so dass er als Laborant arbeiten muss und die Familie nur wenig Geld zur Verfügung hat. Sein Bruder Arie ist in Israel geblieben, Rosas Oma Zsazsa ist in einem Altenheim in Tel Aviv untergebracht.
Die Erinnerungen Rosas sind sehr assoziativ - erzählt wird im inneren Monolog, teilweise mit langen, verschachtelten Sätzen. Ausgehend vom Tod denkt Rosa an alles Mögliche zurück. Wie ihre Eltern sich kennengelernt haben, wie chaotisch das Familienleben verlaufen ist. In ihrer Erinnerung streiten immer alle miteinander. Die Mutter, die aus Bayern stammt und ihr Studium nicht abgeschlossen hat, ist unzufrieden mit ihrem Leben als Mutter und Hausfrau. Es bleibt die Frage, warum die Eltern geheiratet haben, wenn sie sich doch offenkundig nicht mögen. Konsequenterweise verlässt Veronika die Familie, kurz bevor auch Nadja auszieht und Rosa mit dem Vater allein lässt. Obwohl Rosa positive Kindheitserinnerungen an ihre Schwester hat, denkt sie in der Gegenwart stets negativ an Nadja.
Nebenbei werden auch geschichtliche Ereignisse eingeflochten - der Jom Kippur Krieg in Israel und das Ende der deutschen Besatzung in Siebenbürgen, das den jüdischen Großeltern die Freiheit zurückgebracht hat.
Im Versuch den Inhalt zusammenzufassen, wird wieder deutlich, wie zerstückelt alles erzählt wird und wie es zunehmend schwieriger wird, das Puzzle vollständig zusammenzusetzen. Hinzu kommt, dass vorwiegend Banales erzählt wird, Nebensächlichkeiten, die in jeder Familie vorkommen können. Das einzig Besondere scheint zu sein, dass Rosa in einer halbjüdischen Familie aufgewachsen, einer Familie, deren jüdischer Teil von der Shoa geprägt ist. Es gelingt der Autorin jedoch nicht, die Bedeutung der Shoa auch für die kommenden Generationen greifbar zu machen.
Trotz der teilweise recht ansprechenden Sprache hat mich der Roman v.a. im Mittelteil gelangweilt, im letzten Teil steigert er sich dadurch wieder, dass die Schwestern sich erneut begegnen und einige Fragen geklärt werden.
Insgesamt hat mich der Roman jedoch nicht überzeugt, so dass ich ihn auch nicht weiter empfehlen kann.