Leserunde auf whatchareadin
Hardcover, 160 Seiten
dtv, 8.September 2017
Vielen Dank an den Verlag für das Leseexemplar.
Der Erstlingsroman von John William, Autor von "Stoner", ist entstanden, nachdem der jungen Air Force Pilot Willams zu Beginn des 2.Weltkriegs auf einem Erkundungsflug in Burma abgeschossen wurde und sich in einem Lager von den traumatischen Erlebnissen erholt hat.
Im Nachwort heißt es, es sei "das Werk eines Zweiundzwanzigjährigen, den die unmittelbare Begegnung mit dem Tod verstört zurückließ und zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal zwang." (S.152).
Diese Verstörung stellt sich auch beim Lesen ein, ganz besonders nach dem offenen Ende, das viele Fragen unbeantwortet lässt.
Worum geht es?
Wir erleben gemeinsam einen Tag und eine Nacht mit Arthur Maxley in San Francisco, der mit einem surrealen Traum des Protagonisten beginnt. Er sieht auf einer Party einen Fremden.
"Ihn schien eine innere Ruhelosigkeit zu plagen, die ihm keinen lockeren Umgang mit sich oder den anderen gestattete. Angespannt beugte er sich im Sessel vor, als sei er kurz davon, aufzuspringen und in heller Panik zu fliehen." (S.11)
Dieser Fremde wird von allen bedrängt, immer näher rücken die Menschen bedrohlich an ihn heran und der Träumende erkennt,
"das hier war seine wahre Identität, das war er selbst" (S.14)
- ein Fremder in der Menge, außerhalb der Gesellschaft.
Nach dem Aufwachen beschließt er sein Versprechen einzuhalten und in den Park zu gehen, seinen Tag auszufüllen, um den Selbstreflexionen zu entgehen? Es gelingt ihm nicht dorthin zu kommen, statt dessen frühstückt er und kehrt in seine Wohnung zurück, in der eine Überraschung auf ihn wartet:
Ein Brief seines Vaters, den er schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen hat. Das letzte Telefongespräch verursachte einen psychischen Zusammenbruch Arthurs. Was ist geschehen?
Spontan verabredet er sich mit seinem Vater für den Abend.
Wir erfahren, dass Arthur voller Zärtlichkeit an seine Mutter zurückdenkt, aber auch, dass sie tot ist und dass es mit dem Tod etwas Seltsames auf sich hat.
Sie scheint eine labile Frau gewesen zu sein, minutiös beschreibt Arthur das Ritual des Gute-Nacht-Sagens.
"Er hatte gelernt, dass er in diesem heikelsten aller Augenblicke abwarten musste, in welcher Stimmung sie war. Manchmal legte sie die Arme um ihn, streckte sich neben ihm aus, zerzauste sein Haar und flüsterte ihm zu. Bei anderen Gelegenheiten wirkte sie abgelenkt, abwesend, nicht ganz bei ihm." (S.46)
"Das ist die beste Zeit im Leben, dachte er erneut: Wenn man noch sehr jung ist, wenn das Leben einfach scheint, eine vollkommene Abfolge goldener Augenblicke." (S.47)
Bevor er seinen Vater sieht, trifft er beim Mittagessen ein Freund. Die einzige Szene im Roman, die "normal" wirkt. Doch die Bitte des Freundes ihm Geld zu leihen, schlägt er ab. Als dieser ihm vorschlägt, doch seinen Vater zu fragen, ist Arthur voller Angst.
Auch das Gespräch mit dem Vater offenbart nicht das Familiengeheimnis, doch die aufkeimende Wärme zwischen beiden wird jäh gestört, als eine Geliebte des Vaters auftaucht. Der Vater ist wie der Sohn auf der Flucht vor jenen schrecklichen Ereignissen, die zwischen den beiden ungesagt bleiben.
"Hast, dachte er, ständige Hast, immerwährende Flucht, Tage ohne Ende und kein Entkommen." (S.69)
"Wer könnte das schon, die Seele säubern?" (S.151)
Im Anschluss besucht Arthur einen Nachtclub und flirtet mit einer jungen Frau. Beim Auftritt einer Tänzerin, die in völliger Ekstase sich ihren Bewegungen hingibt, wird Arthur von seinen Erinnerungen an jenen Abend überflutet, der die die Familie Maxley zerstört hat.
Eine Erinnerung, die mehr Fragen offen lässt, als sie beantwortet und die zu einem Verhalten gegenüber der jungen Frau führt, dass sehr verstörend ist. Aus einer Angst wird Hass, der sich entlädt - plötzlich und unerwartet. Abrupt endet der Roman und lässt die Leser*innen allein.
Bewertung
Ein sehr intensiver Roman, den man nicht mal eben so zwischendurch lesen kann und der volle Aufmerksamkeit erfordert. Die Sprache ist so metaphernreich, dass es schon fast zu viel des Guten ist. Interessanterweise hat der Autor die Novelle in späteren Jahren verleugnet, weil sie ihm - wie es im Nachwort heißt - zu unfertig schien.
Sie wirkt tatsächlich nicht "fertig", am Ende stolpert der Protagonist allein in die Nacht. Ohne eine Versöhnung mit den Vater, ohne Zukunft, innerlich angetrieben.
Viele offene Fragen, was bleibt ist eine "Metaphernvielfalt", dynamische Passagen, wie der ekstatische Tanz, neben anstrengend zu lesenden Selbstreflexionen und das Aufdecken eines traumatischen Erlebnisses, mit der Protagonist offenkundig nicht leben kann.