- das Denkmal Goethe wackelt
Leserunde auf whatchaReadin
Welch genialer Anfang: "Goethe hatte Hämorrhoiden." (S.7)Der große Dichterfürst, bewunderter Klassiker wird von einer so unsäglichen Krankheit geplagt. Goethe wird in diesem Roman von Lewinsky von seinem Sockel gestoßen und als Mensch dargestellt - etwas arrogant, sehr von sich eingenommen.
Gerade auf dem Rückweg von seiner Schweizer Reise 1797 wird er in der Kutsche durchgeschüttelt und leidet. Zudem muss er feststellen, dass er eine Schreibblockade hat. Die bedeutungsschweren Sentenzen, die leichten Verse, nichts gelingt ihm mehr. Zurück in Weimar wartet der Herzog auf das für seine Frau bestellte Festgedicht - doch die Verse wollen nicht fließen,
"als hielten ihm tausend Dämonen die Hand fest und hinderten ihn daran, auch nur einen Buchstaben zu Papier zu bringen, dass die Gedanken schneller vor ihm flohen, als er sie erspähen konnte" (S.46).
In seiner Verzweiflung nimmt Goethe das Angebot des Vielschreibers Christian August Vulpius, Bruder seiner Geliebten Christiane, an und lässt sich von ihm das Festgedicht schreiben. Und das, obwohl er ihn dafür verachtet, Literatur zur Unterhaltung zu verfassen - heute würde man sagen Belletristik oder Massenliteratur.
Und doch ist es gerade Vulpius, der ihm zu helfen vermag und ihm letztlich die Weiterarbeit am Faust ermöglicht - das zumindest ist Lewinskys Version, der laut Klappentext "minuziös recherchierte Fakten, versetzt mit fantasievollen Lügen" zusammengefügt hat.
Nebenbei nimmt er die höfische Gesellschaft Weimars aufs Korn und zeichnet Christiane als lebenstüchtige, pragmatische Frau, die ihren Bruder und Goethe geschickt zusammenbringt.
In bilderreicher Sprache, im Ton Goethes mit vielen Bezügen zur griechischen Mythologie und intertextuellen Verweisen unterhält Lewinsky die Lesenden.
Neben der guten Story überzeugt v.a. die Komik vieler Szenen, die teilweise Slapstick-Charakter haben. Ich musste tatsächlich beim Lesen öfter lachen.
Eine klare Lese-Empfehlung, nicht nur für Goethe- und Lewinsky-Fans.