- ein packender Psychokrimi.
Taschenbuch, 656 Seiten
Fischer Scherz, 29. Dezember 2016
Gefrorener Schrei ist der 6. Kriminalroman Tana Frenchs, der in Irland spielt. Während in den ersten vier Romanen die Ermittler*innen wechseln und immer eine Figur aus den vorherigen Band wieder eine Rolle spielt, durchbricht sie im vorliegenden Roman dieses Muster.
Die ermittelnden Detectives sind die gleichen wie in "Geheimer Ort", nämlich Antoinette Conway und Stephen Moran, mit dem Unterschied, dass die Handlung dieses Mal ausschließlich aus der Ich-Perpektive Conways erzählt wird.
Inhalt
Antoinette Conway ist die einzige Frau im Morddezernat in Dublin. Seit sie gemeinsam mit Stephen Moran den Fall im Mädcheninternat gelöst hat (Geheimer Ort), sind die beiden ein Team. Während Stephen ein Sonnenschein ist und dazu gehören will, ihr gegenüber aber loyal ist, wird sie ausgegrenzt und jemand oder mehrere behindern ganz offensichtlich ihre Arbeit - Dokumente verschwinden, Mitteilungen werden nicht weitergeleitet, in ihr Spind wurde uriniert.
"Im Grunde aber ging es nicht darum, dass ich eine Frau bin. Das war bloß ihr Ansatzpunkt, bloß der Umstand, von dem sie glaubten, er würde, müsste es ihnen leichtmachen, mich herumzuschubsen. Im Grunde war es einfach. Es ging um genau dasselbe wie in der Grundschule, als Irland noch schneeweiß, ich das einzige in bisschen dunklere Kind in der Klasse und mein allererster Spitzname Kackgesicht war." (S.56)
Trotzdem gibt sie nicht auf, obwohl sie mit dem Gedanken spielt, in ein privates Wachunternehmen zu wechseln, denn sie glaubt, alle seien gegen sie. Kann sie ihrem Partner wirklich vertrauen?
Im vorliegenden Mordfall geht es die junge Aislinn Murray, die tot in ihrer Wohnung gefunden wird, nachdem ein anonymer Anruf auf der Polizeiwache eingeht. Gefallen auf die Sockelplatte ihres Kamins - Schädelbruch. Der Tisch festlich gedeckt für ein Candlelight-Dinner. Die Sachlage scheint klar zu sein - eine Beziehungstat.
Warum stellt der Superintendent O´Kelly dem Team Conway und Moran dann den erfahrenen Detective Breslin zur Seite? Wenn der Fall doch so klar erscheint? Vor Ort und nach dem Gespräch mit der besten Freundin des Opfers, Lucy, tauchen weitere Fragezeichen auf. Lucy bringt einen geheimnisvollen Lover ins Spiel, nicht der Mann, der zum Essen eingeladen war - Rory Fallon, Besitzer einer Buchhandlung.
Er ist zunächst der einzige Verdächtige, wirkt jedoch kaum wie jemand, der im Affekt eine junge Frau niederschlägt. Trotzdem will Breslin ihn möglichst schnell dingfest machen - Conway und Moran hegen jedoch erhebliche Zweifel an der Schuld Fallons.
Sie erwägen eine andere Theorie - Aislinns geheimer Lover könnte ein Krimineller sein, der eine Verbindung zur Polizei, vielleicht zu Breslin selbst hat.
Auch Breslins Partner McCann verhält sich eigenartig. Zudem finden Conway und Moran heraus, dass er vor langer Zeit das Verschwinden von Aislinns Vater untersucht hat - ein Umstand, der für den Fall noch wichtig werden wird.
Der aber auch die Wahrnehmung Conways beeinflusst, deren Vater selbst unbekannt ist und nie versucht hat, einen Kontakt zu ihr herzustellen. Immer verzwickter erscheint dieser Fall und hält einige unerwartete Wendungen bereit.
Bewertung
Der Fall ist spannend - keine Frage. Doch die Besonderheit dieses Krimis ist die Ich-Perspektive von Detective Conway - mit ihren messerscharfen Schlussfolgerungen einerseits, aber auch mit ihrer Unsicherheit, ihren Ängsten andererseits. Ihr Denken wird davon bestimmt, dass ihr im Dezernat jeder Böses will, sogar ihren Partner verdächtigt sie illoyal zu sein. Ständig fühlt sie sich beobachtet, ausgegrenzt. Auf wen kann sie sich verlassen?
Sie will mit aller Macht die starke, unangreifbare Frau sein, die niemanden an sich heran lässt und genau das scheint ihre größte Schwäche zu sein.
Der schmale Grat zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiver Wahrheit, die permanente Verschiebung dieser Linie machen den besonderen Reiz dieses Krimis aus.
Bei Tana French ist psychologisch anspruchsvolle und unterhaltsame Kriminalliteratur garantiert!