- ein ungewöhnlich komponierter Roman über eine erfolgreiche junge Köchin.
Buchdaten
Taschenbuchausgabe, 428 Seiten
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen am: 24. August 2016
ISBN-13: 978-3257862973
Ganz herzlichen Dank an den Diogenes Verlag, der mir diesen außergewöhnlichen Roman als Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Inhalt
Dieser Roman ist wie ein sehr gut komponiertes Essen, alle Teile fügen sich zu einem perfekten Dinner und zusammen entfalten sie ihre unverwechselbare "aromatische" Wirkung.
Er beginnt mit Lutefisk, einer norwegischen Spezialität - Stockfisch - mit deren Zubereitung Lars Thorvald groß geworden ist, bevor er viel zu früh auf den Stufen seiner Wohnung einen Herzinfarkt erleidet.
Er ist der Vater Eva Thorwalds, der eigentlichen Protagonistin des Romans, obwohl sie fast nie im Vordergrund steht und sich die Lesenden ihr Bild Schritt für Schritt "erarbeiten" müssen.
Lars gelingt es seiner Tochter bereits im zarten Alter von drei Monaten die Liebe zu gutem Essen nahe zu bringen. Er selbst ist ein begabter Koch, der großen Wert auf qualitative Lebensmittel legt und - er wird von Evas Mutter Cynthia Hargreaves verlassen. Da ist Eva 4 Monate alt. Cynthia ist der Überzeugung, keine gute Mutter werden zu können und verfolgt stattdessen ihren Traum Sommelière zu werden.
Zwei Monate später, nachdem Evas kinderloser Onkel Jarl und mit seiner Frau Fiona bei Lars eingezogen ist, stirbt Lars an einem Herzinfarkt am ersten Weihnachtsfeiertag, während Fionas Schwester mit ihren Kindern Randy und Braque Besuch ist, die im Leben Evas noch eine wichtige Rolle spielen werden.
Im zweiten Teil - Chocolate Habanero - ist Eva fast 11 Jahre alt. Inzwischen lebt sie bei Jarl und Fiona, von denen sie glaubt, sie seien ihre Eltern. Mit Randy, der wegen Drogendelikte vorbestraft ist, hat sie zum Leidwesen ihrer Eltern häufig Kontakt, ist er doch neben ihrer Cousine ihr einziger Vertraute. In der Schule wird Eva, die sehr groß und intelligent für ihr Alter ist, ausgegrenzt und drangsaliert.
Ihre Leidenschaft gehört jedoch ihren Chilipflanzen, die sie in ihrem Kleiderschrank züchtet und in einem Nobelrestaurant verkauft, wobei sie dort auch in die Küche "hineinschnuppern" darf.
Dieses Kapitel ist das einzige, das aus der personalen Perspektive Evas erzählt wird, der bewusst ist, dass sie anders als ihre "Eltern" ist, jedoch weiß, dass diese von Herzen lieben und trotz ihrer finanziellen Probleme ihr Bestes für Eva geben.
Paprikamarmelade
Im Mittelpunkt steht Evas Cousine Braque, die gerade am College studiert und minutiös ihren Tagesablauf plant, so dass das Kapitel in Uhrzeiten unterteilt ist. Plötzlich wirft ein Ereignis sie aus der Bahn, zeitgleich taucht Eva auf, die wegen eines Streits von zuhause ausgerissen ist und Zuflucht bei ihr sucht. Evas Fähigkeit auch die schärfsten Gerichte essen zu können, sorgt für einige Turbulenzen in dieser Episode.
Im Teil Zander ist Eva inzwischen ein recht attraktiver Teenager und zieht die Aufmerksamkeit des Jugendlichen Will Prager auf sich, aus dessen Perspektive dieses Kapitel erzählt wird. Will, der von ihrer Vorliebe für gutes Essen erfährt, lädt sie in ein Nobelrestaurant ein, in dem sie aufgrund ihres außergewöhnlichen Geschmackssinns auffällt. Daraus ergibt sich ein Job, der Evas Leben maßgeblich beeinflusst, unter anderem lernt sie die Köchin Maureen O´Brian kennen, von deren Erfahrung sie profitiert. Es wird auch deutlich wie sehr Eva ihre vermeintlichen Eltern liebt, bzw. ihre Mutter geliebt hat, die inzwischen gestorben ist.
Ein paar Jahre später erfahren die Lesenden aus der Sicht Octavias, die Eva für das Scheitern ihres Lebens verantwortlich macht, wie sich die Protagonistin weiter entwickelt hat.
Mit einem besonderen Maisgericht, Golden Bantam, erobert sich Eva die Herzen eines exklusiven Dinnerclubs und auch in dieser Episode lernt sie Menschen kennen, die ihrem Leben eine neue Richtung geben. Denn von Octavia stammt die Idee, Dinners an exklusiven Orten auszurichten, doch während Eva die Idee konsequent weiter verfolgen wird, entscheidet Octavia sich aufgrund ihrer Abneigung für Eva dagegen.
Jordy Snelling geht auf die Jagd nach Wild, auch er berührt Evas Leben kurz, die sich mit seinem Bruder Adam angefreundet hat.
In Riegel ist es Pat Prager, Wills Stiefmutter, die Eva an ihre Kindheit und Wurzeln erinnert. Gleichzeitig wird in diesem Kapitel der Unterschied zwischen traditionellem Kochen und Backen, ohne auf Gluten, Lactose, genveränderte Lebensmittel und deren Herkunft zu achten, der Philosophie gegenübergestellt, dass man seine Zutaten sozusagen kennen muss und immer so frisch wie möglich zubereitet - und es gibt eine Vielzahl Rezepte für süße Versuchungen.
Im großen Finale - Das Dinner - laufen die Fäden - sowohl die Gerichte als auch die Figuren - zusammen und die Puzzleteilchen fallen an den richtigen Platz.
Erzählt wird dieser letzte Teil von Evas leiblicher Mutter, die einen Weg sucht, mit ihrer Tochter zu sprechen.
Bewertung
Dieser Roman überzeugt auf ganzer Linie - er ist klug komponiert - wie Evas einzigartiges Essen, in dem jede Komponente perfekt aufeinander abgestimmt und immer frisch zubereitet ist.
Die einzelnen Figuren sind, obwohl sie jeweils nur in einem Kapitel im Vordergrund stehen, überzeugend gezeichnet und ihre Handlungsweisen immer nachvollziehbar.
Eva hingegen bleibt außer als Jugendliche im Hintergrund - so wie ein gute Köchin nicht in Erscheinung tritt, sondern durch ihre Gerichte überzeugt. Man muss sich die Person der jungen Frau selbst zusammensetzen, die auch in der negativen Darstellung aus Octavias Perspektive als selbstbewusste, liebenswerte und außergewöhnliche Frau erscheint, die nicht gerne im Vordergrund steht. Obwohl Eva ihre leiblichen Eltern so früh verloren hat, hat ihre neue Familie ihr so viel Liebe geschenkt, dass sie offensichtlich zu einem guten Menschen herangereift ist. So kümmert sie sich zeitlebens um ihren kranken Vater und beschäftigt als erfolgreiche Köchin fast ihre gesamten Verwandten und Freunde.
Im Roman wird auch deutlich, dass einzelne Begegnungen das Leben entscheidend beeinflussen können und seine Richtung für immer verändern.
Insgesamt eine interessante Komposition, die Lust auf mehr von diesem Autor und auf jeden Fall auf ein gutes Essen macht - dafür sorgen die zahlreich eingestreuten Rezepte und die Beschreibungen der zubereiteten Speisen.
Der Wertung der New York Times, es handle sich um "ein imposantes Meisterstück", kann ich nichts mehr hinzufügen.