Donnerstag, 10. November 2016

Banana Yoshimoto: Lebensgeister

- traumhaft, melancholisch, leicht.

Buchdaten
Taschenbuchausgabe, 160 Seiten
Verlag: Diogenes
Erschienen am: 28.9.2016
ISBN-13: 978-3257300420

Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag, der mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Inhalt
Am Beginn des Romans - ein Autounfall:

"Als ich die Eisenstange bemerkte, wie sie da in meinem Bauch steckte, dachte ich; Verdammt, das sieht nicht gut aus...Ich werde sterben." (S.9)

Doch während die junge Japanerin Sayoko überlebt, stirbt ihr Freund Yoichi. Ein Schlag, den sie nur sehr schwer verkraftet. Im Todeskampfes wünscht sie sich, er möge überleben. Doch sie ist es, die am Leben bleibt, nachdem sie eine intensive Erfahrung an der Schwelle des Todes erlebt. Ihr verstorbener Hund wartet an einer Art Regenbogen auf sie, um sie auf die andere Seite zu geleiten. Doch ihr "Hippi-Opa", ebenfalls gestorben, holt sie auf seiner Harley ins Leben zurückgeholt:

"Dass Leben und Tod im selben Raum beieinander wohnen, dass nur ein Haar sie voneinander trennt - daran hatte ich nie gedacht, damals. An Opas Rücken geschmiegt, gingen mir all diese Gedanken durch den Kopf, und irgendwann verlor ich das Bewusstsein." (S.18)

Ein fantastisch anmutende Nahtoderfahrung, die Sayoko prägt und an die so oftmals zurückdenkt.
Nachdem ihre Wunden verheilt sind, kümmert sie sich um den Nachlass ihres Freundes, der ein bekannter Künstler gewesen ist und hält den Kontakt zu seinen Eltern. Da sie selbst dem Tod so nahe gewesen ist, kann sie Geister sehen, Verstorbene, deren "Hüllen" noch auf der Erde verweilen. Etwas, was niemanden in diesem traumhaften Roman verwundert. So lernt sie einen jungen Mann in Tokio kennen, der das Haus seiner verstorbenen Mutter besucht und dort einzieht. Sayoko ist in der Lage, die früh verstorbene Frau zu sehen und freundet sich mit Ataro an.
Gemeinsam mit ihm besucht die verwunschenen Plätze Kyotos, dort, wo sie gemeinsam mit Yoichi gewesen ist und findet ganz allmählich ins Leben zurück.

Bewertung
Ein sehr leiser und stiller Roman, der die Erfahrungen des Todes und die Trauer um einen geliebten Menschen auf sehr melancholische Art und Weise schildert und zugleich ein Liebeserklärung an Kyoto ist, das sehr liebevoll beschrieben wird. Der Tod ist allgegenwärtig und ein Teil des Lebens.

Trotzdem bin ich mit diesem Roman nicht warm geworden, und das lag nicht an der seltsamen Fähigkeit der Protagonistin die Geister der Verstorbenen wahrzunehmen oder an der geschilderten Nahtoderfahrung. Der Roman, aus der Ich-Perspektive Sayokos" erzählt, ist sehr assoziativ. Es wird zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin- und hergesprungen - zwischen Träumen, der Todeserfahrung und der Realität. Alles wird ständig von der Ich-Erzählerin reflektiert - kaum eine Szene wirklich im Detail erzählt, so dass ich als Leserin nicht in die Geschichte hinein gekommen bin, die Situationen nicht erlebbar werden. Erst ganz am Ende, beim Spaziergang durch Kyoto.
Es mag auch an der für mich unbekannten Kultur Japans liegen, mit der ich mich bis jetzt kaum beschäftigt habe. Vielleicht liegt es auch daran, dass mir die Orte fremd sind und sich beim Lesen keine Bilder in meinem Kopf eingestellt haben.
Ich bin etwas ratlos, denn am Thema liegt es sicherlich nicht, vielleicht an der Sprache. Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht zu dieser jungen Frau passt, die ihre "Lebensweisheiten" transportieren will.

"Jeder trägt im Leben seine kleine oder größere Bürde. Menschen, die ein dickes Fell haben und alles auf die leichte Schulter nehmen, erkennt man auf den ersten Blick, sie erinnert mich ein wenig an Roboter. Menschen dagegen, die ihre Bürde angenommen haben, strahlen Schönheit aus, sie sind feinfühlig und gewissenhaft." (S.45)

Vielleicht sind es auch die Worte wie Seele, Herz, Gefühle, die inflationär gebraucht werden und die scheinbar gewichtigen Aussagen, die mich nicht berührt haben:

"Aus meinem Innersten sprudelten Gefühle klar und rein wie Kohlensäurebläschen, und mir war, als verginge die ganze Traurigkeit, die Herz, Blick und Verstand getrübt hatte." (S.98)

"Der angebrochene Traum schwebte noch immer im Raum, er glänzte und glitzerte wie ein Glassplitter. Es fühlte sich an, als würde meine Seele daraus Kraft schöpfen." (S.99)

Und die kurzen Sätze, die zwar zu dem Assoziativen passen, aber den Lesefluss hemmen.

Letztlich wird vieles zusammengekommen sein, warum mich der Roman nicht angesprochen hat.