Leserunde auf whatchareadin
Hackl erzählt die wahre Geschichte der Jüdin Lucia Heilmann, die von Reinhold Duschka in Wien während der Nazi-Herrschaft gemeinsam mit ihrer Mutter versteckt wurde.
"Er war der beste Freund ihres Vaters, zu einer Zeit, in der Männer noch beste Freunde und Frauen beste Freundinnen hatten, vor einer halben Ewigkeit also." (7)
Lucias Vater, Rudolf Kraus, und Reinhold lernen sich Mitte der 20er Jahre in Wien kennen, wie, darüber kann Hackl nur spekulieren, da Lucia es nicht weiß.
Duschka, der aus Berlin stammt, entdeckt während seiner Gesellenwanderung im Schwarzland seine Liebe zu den Bergen und wird zeitlebens ein begeisterter Kletterer und Skifahrer sein. Rudolf führt ihn in Wien in eine Gruppe um Regina Steinig, Lucias Mutter, ein:
"Regina bildete das Gravitationszentrum der Gruppe, wegen ihres geselligen Naturells und weil sie die Gabe besaß, das Vertrauen wildfremder Menschen im Handumdrehen zu gewinnen und diese miteinander anzufreunden." (10)
Reinhold, der an der Wiener Kunstgewerbeschule studiert und aus Metallblechen Kunstgegenstände fertigt, ist stilles Mitglied in der kommunistisch, pazifistischen Gruppe.
Am 25.7.1929 wird Lucia geboren, ihre Eltern Regina und Rudolf sind freundschaftlich verbunden, so dass Lucia in der Obhut ihres Großvaters aufwächst, während Regina im Labor des Lainzer Krankenhaus arbeitet. Aber das Mädchen hat auch regelmäßig Kontakt zu ihrem Vater, der 1936 sein Mathematikstudium mit dem Doktorat beendet.
"Lucias knappe Erinnerung, daß sie bei der Promotionsfeier dabei war. (...) Zweite und wesentlich schärfere Erinnerung, an die Puppe Susi, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte" (15).
Hackl beschreibt, wie sich die Lebensumstände der Jüdin Lucia, deren Mutter mit dem jüngeren Fritz Hildebrandt zusammenzieht, kontinuierlich verschlechtern. Im November 1941, als Fritz schon Soldat in der deutschen Wehrmacht und Rudolf als Gefangener in Australien ist, entkommen Regina und Lucia per Zufall knapp einer Deportation.
"Längst hat sich herumgesprochen, daß Judenhäuser geräumt, ihre Bewohner auf Lastwagen weggeschafft werden. Wohin, dorthin, von wo niemand zurückkommt." (25)
Ihre einzige Anlaufstelle in Wien ist der Werkstättenhof, in dem Reinhold eine Werkstatt angemietet hat. Dort überleben beide dank seines Wagemutes und seiner Zivilcourage den Krieg - sie bilden eine Seilschaft, wie beim Klettern. So erkläre ich mir den Titel des Romans.
Dadurch, dass er die beiden nicht nur in seiner Werkstatt versteckt, sondern sie auch arbeiten lässt, überstehen sie die lange Zeit. Lucia fertigt Kunstgegenstände aus Metallblechen und überbrückt so die lange Zeit des Wartens.
"Er hat es mir immer wieder wieder gezeigt. Liebevoll, er hat nie geschimpft, nie die Geduld verloren." (37)
Hackl schildert auch die Zeit nach dem Krieg, in der Duschka über seine Taten schweigt und Lucia sich bemüht, ihn für seine selbstlose Tat zu ehren.
Bewertung
Erich Hackl erzählt in nüchtern-sachlichem Ton von der
Heldentat Reinhold Duschkas. Er stützt sich auf die bruchstückhaften Erinnerungen der jungen Lucia, lässt sie aber auch direkt zu Wort kommen, so dass allmählich ein Bild des schweigsamen, verlässlichen und freundlichen Duschkas entsteht. Dadurch, dass er die Zeit im Versteck aus ihrer Perspektive beschreibt, gibt er im Wesentlichen ihre Beobachtungen wieder und verdeutlicht, dass die Grundlage des Textes ein Gespräch zwischen Erzähler und Lucia darstellt. Explizit verweist er auf Erinnerungslücken und Spekulationen.
"Ausgedacht also, vorgestellt, auf jeden Fall unverbürgt, nur nicht das gute Ende (...)" (69)
Im Nachhinein stellen sich einige Beobachtungen und Schlüsse Lucias auch als falsch heraus, wie das Schicksal ihrer besten Freundin belegt.
Hackl spannt den Bogen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart, indem er Lucias Bemühen, Reinhold für seine Tat auszuzeichnen ebenso dokumentiert, wie ihren Versuch mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, die ihn gekannt haben.
"Ausgedacht also, vorgestellt, auf jeden Fall unverbürgt, nur nicht das gute Ende (...)" (69)
Im Nachhinein stellen sich einige Beobachtungen und Schlüsse Lucias auch als falsch heraus, wie das Schicksal ihrer besten Freundin belegt.
Hackl spannt den Bogen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart, indem er Lucias Bemühen, Reinhold für seine Tat auszuzeichnen ebenso dokumentiert, wie ihren Versuch mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, die ihn gekannt haben.
Ein lesenswerter Roman, der die Zivilcourage eines Einzelnen in
den Mittelpunkt stellt, der in unmenschlichen Zeiten Menschlichkeit gelebt hat. Ein Vorbild, gerade in der heutigen Zeit.
"Reinhold (war) wie geschaffen dafür, intelligenten Widerstand zu leisten. Das lag zum einen daran, daß er es als Bergsteiger gewohnt war, auf andere angewiesen und für sie verantwortlich zu sein, zweitens an persönlichen Eigenschaften, die dazu beitrugen, das Risiko möglichst gering zu halten: Selbstdisziplin, Verschwiegenheit, Einzelgängertum, Menschenkenntnis." (110)
Vielen Dank an den Diogenes-Verlag für das Rezensionsexemplar.