Samstag, 17. November 2018

Laetitia Colombani: Der Zopf

- drei Frauen, deren Schicksal sich berührt.

Hörbuch

"Der Zopf" wird in Rezensionen sehr unterschiedlich bewertet und eigentlich hatte ich schon beschlossen, den Roman nicht zu lesen, da erzählte mir eine gute Freundin, dieses Buch sei ihr Hörbuch-Highlight in diesem Jahr.

Wie schon bei "Die Katze und der General" gehen die Meinungen über das, was gut oder schlecht, hörenswert oder abzulehnen ist, weit auseinander.

Ein Versuch ist es wert, schließlich kann man bei Audible auch Hörbücher umtauschen...

Erzählt wird das Schicksal dreier Frauen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen und Schichten:

1. Smita lebt in Indien und gehört zu den Unberührbaren. Für ihre Tochter erhofft sie sich ein besseres Leben als das, was sie zu führen gezwungen ist. Denn sie muss die Latrinen der Menschen in ihrem Dorf entleeren und wird dafür mit Essensabfällen "bezahlt". Als ihre Tochter vom Lehrer in der Schule vor den anderen Kindern aufgefordert wird, den Klassenraum zu kehren, erkennt sie, dass sie im Dorf ihrer "Kaste" nicht entfliehen können. Sie beschließt gegen das ihr vorherbestimmte Schicksal anzukämpfen.

2. Giulia lebt in Palermo und arbeitet in der Perückenfabrik ihres Vaters. Sie wird vor die Aufgabe gestellt, die Rolle ihres Vaters zu übernehmen, als dieser einen Autounfall erleidet. Wie geht sie mit der neuen Situation um?

3. Sarah ist eine erfolgreiche Anwältin in Montreal. Bisher hat sie ihr ganzes Leben ihrer Arbeit gewidmet, selbst ihre drei Kinder müssen sich mit der zweiten Rolle begnügen. Doch dann findet man einen Tumor in Sarahs Brust und ihr Leben wird auf den Kopf gestellt.

Abwechselnd wird jeweils aus der personalen Perspektive der drei Frauen erzählt, wie sie die neue Herausforderung annehmen. Wie ein Zopf verflechten sich ihre Schicksale, wenn auch nur ganz lose.

Ihre Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass sie jeweils vor einer wichtigen Wende ihres Lebens stehen, diese meistern müssen und gezwungen werden gegen Widerstände anzukämpfen.
Und alle werden auf unterschiedliche Art und Weise diskriminiert:

- Smita in religiöser Hinsicht als Unberührbare (Dalit), die auch heute noch oft aus dem indischen Kastensystem ausgeschlossen sind und praktisch keine Rechte haben

- Giulia als Frau, der man es nicht zutraut, die Geschäfte zu übernehmen und die einen Inder kennen lernt, den ihre streng katholische Umgebung als Freund ablehnen würde, so dass sie sich heimlich mit ihm trifft

- Sarah wird aufgrund ihrer Krankheit ausgeschlossen, da sie nicht mehr "leistungsfähig" ist.

Die drei Sprecherinnen - Andrea Sawatzki, Valery Tscheplanowa, Eve Gosciejewicz - entführen die Hörer*innen in die unterschiedlichen Lebenswelten der Frauen.

Trotz der vielen negativen Kritiken hat mir das Hörbuch gut gefallen, die Verflechtung der drei Frauen ist zwar lose - das wird oft kritisiert - aber vorhanden. Im Vordergrund steht ihr Mut, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Insofern dienen sie als Identifikationsfiguren, deren Schicksal mich berührt hat.