- ein Krimi aus Bulgarien.
Buchdaten:
Gebundene Ausgabe: 276 Seiten
Verlag: Louisoder Verlag
Erschienen am: 21. März 2015
ISBN-13: 978-3944153124
Mein besonderer Dank geht an den Louisoder Verlag, der mir dieses Rezenszionsxemplar zur Verfügung gestellt hat.
Vorne weg
Der Krimi spielt im Umfeld der bulgarischen Version von Big
Brother. Für diejenigien, die sich nicht mehr daran erinnern: Big
Brother wurde zum ersten Mal 1999 in den Niederlanden ausgestrahlt. Die
Rechte an der jeweils lokal produzierten Show besitzt die
niederländische Firma Endemol Entertainment. In Deutschland wurde Big Brother zunächst auf dem privaten Sender RTL II ausgestrahlt.
Das Konzept der Sendung besteht darin, dass eine
Gruppe von Menschen zum Teil mehrere Monate lang in einem als
Wohnumgebung eingerichteten Fernsehstudio („Container“) lebt. Der Tagesablauf wird
rund um die Uhr von Fernsehkameras und Mikrofonen
aufgezeichnet und im Zusammenschnitt von „Highlights“ im Fernsehen
ausgestrahlt. In Bulgarien verbleiben alle Teilnehmer bis zum Ende im
Container und der oder die mit den meisten Stimmen gewinnt. Das Finale
wird im Rahmen einer Live-Sendung ausgestrahlt.
Inhalt
Der
Roman spielt in Sofia im Jahre 2008 und wird aus der Perspektive des
jungen, gut aussehenden, aber recht erfolglosen Privatdetektivs Nikifor
Valkov, Nicki genannt, erzählt. Dieser wird von Pepi Petrov, dem
Chefredakteur von Blackbox, also der bulgarischen Variante von Big
Brother, angerufen und um Hilfe gebeten. Als er zum ersten Gespräch zur
Produktionsstätte der Sendung fährt, wollen Pepi und der Produzent der
Sendung, Sascho Sotirov nicht so Recht mit der Sprache heraus.
Es
stellt sich heraus, dass eine Teilnehmerin -Nicoletta Zvetko- im
Container brutal zusammengeschlagen wurde und zwar an einer Stelle, an
der keine Kameraaufnahmen gemacht worden sind. Derzeit liegt sie im Koma
in einer Privatklinik. Da es bei der Produktion um viel Geld
geht, wollen die Verantwortlichen auf keinen Fall die Polizei
einschalten, sondern Nicki soll herausfinden, wer die junge, hübsche
Frau fast zu Tode geprügelt hat. Nur mit entsprechender Hartnäckigkeit
gelingt es ihm an die entsprechenden Informationen heranzugekommen. Er dringt sogar bis zum Opfer selbst vor und erfährt vom behandelnden
Arzt ein wichtiges Detail: Nicoletta ist schwanger.
Während
der Ermittlungen lernt man einiges über die Produktion der Sendung kennen
und wirft zusammen mit dem Detektiv einen Blick hinter die Kulissen des
Medienzirkus.
Nach Sichtung der Streambilder, also der kompletten
Aufnahmen aller
Kameras, verbleiben Nicki 3 Verdächtige, die zum Zeitpunkt der Tat nicht
von den Kameras erfasst waren. Diese schließt Nicki mit etwas seltsamen
Ermittlungsmethoden der Reihe nach aus. Er selbst beschreibt seine
Arbeitsweise folgendermaßen:
Ich beginne im Kern der Untersuchung und fange an, in immer größer
werdenden konzentrischen Kreisen Informationen zu sammeln, bis ich am
Ende etwas entdecke, was nicht in Ordnung ist. Aus diesem Missstand
entsteht ein neues Zentrum und wieder suche ich in konzentrischen Kreisen
nach Informationen und so weiter und so fort. Die Untersuchung geht
weiter, bis ich zusammen mit dem Kunden zu dem Schluss komme, dass die
gesammelten Informationen ausreichen, oder bis der Kunde kein weiteres
Interesse mehr hat und sich dafür entscheidet, mich nicht mehr weiter zu
bezahlen. Letzteres kommt öfter vor. (S.52)
Die unverkennbare Selbstironie Nickis macht den Ermittler zu einer
sehr sympatischen Figur, von der ich angenommen habe, dass er diesen Fall
niemals allein lösen wird.
Zurück zu den drei Verdächtigen: einem Friseur, einem Informatiker - Schoro- und der Nachtclubtänzerin Petja.
Nicki befragt zunächst seine Schwester, die genau wie der Verdächtige ebenfalls
einen Friseursalon besitzt. Allerdings ist in dem Kapitel überhaupt
nicht von dem Blackbox-Teilnehmer die Rede, ich musste die Stelle zweimal lesen
und mir selbst erschließen, dass er von ihr die entsprechenden
Informationen erhalten hat, warum besagter Friseur kein Motiv für den
Überfall haben kann.
Über die anderen beiden Verdächtigen sammelt
er mithilfe eines alten Freundes Informationen. Und das ist seine große Stärke:
"Aber ich weiß genau, wen ich anrufen muss, um meine Aufgaben zu erledigen." (S.271)
Nach
einem Gespräch mit Schoros Eltern, mit denen er Schnaps "säuft", kann
er diesen ausschließen. Nachdem es ihm endlich erlaubt wird, anonym -
als Blackbox-Stimme - mit den Teilnehmern zu sprechen, stellt sich
heraus, dass
Petja Nicolettas beste Freundin gewesen ist und als Tatverdächtige
ebenfalls nicht in Frage kommt.
Inzwischen gibt es einen Neuen,
Rafael, im
Container, der Nicoletta ersetzt. Auch mit ihm spricht der Detektiv und
auch dieses Gespräch habe ich rückwirkend nochmals gelesen, da es sich
vom Ende her erst erschließt. Der Psychologe Eduard Levi, der vom
Produzenten gefeuert wurde und vorher die Belastbarkeit der
Teilnehmenden in Gesprächen getestet hat, will Nicki nicht weiterhelfen -
verdächtig!
Nachdem Nicki keine Person präsentieren kann, die den
Überfall offenkundig begangen hat, entbindet ihn Sascho von dem Fall
und überweist ihm ein fürstliches Honorar. Doch Nickis
Privatdetektivehre lässt ihn nicht zur Ruhe kommen, so dass er auf
eigene Faust weiter ermittelt und es ihm schließlich doch gelingt, den
Täter zu überführen, indem er ihm eine Falle stellt.
Bewertung
Am
Anfang bin ich der lässigen Art des Detektiven auf den Leim gegangen
und dachte, mit diesen Methoden kommt der nie ans Ziel. Aber wie er
selbst feststellt, verfügt er über die entsprechenden Kontakte und führt
seine Auftraggeber bewusst hinters Licht. So ist sein Handeln wohl
durchdacht und er löst den Fall.
Seine Selbstironie wirkt
ungemein sympathisch und die Geschichte ist flüssig, in kurzen Kapiteln
flüssig spannend erzählt. Allerdings steckt oft mehr hinter den
vermeintlich belanglosen Gesprächen, als ich vermutet habe, so dass die Story durchaus sorgfältig gelesen werden will.
Der Wechsel
zwischen Dialogen, inneren Monologen und Beobachtungen des Ich-Erzählers
ist kurzweilig und lässt keine Langeweile aufkommen.
Mit dem Krimi
beleuchtet der Autor aber auch seine Stadt - Sofia -, seine Landsleute
und vor allem die Machenschaften der Medienlandschaften, denen Quoten
und zu erwartende Gelder wichtiger sind als die Aufklärung eines
brutalen Überfalls, so dass die Aussage des Klappentextes, der Roman sei
mehr als ein "ganz normaler Krimi" durchaus gerechtfertigt ist.
Insgesamt fand ich den Krimi höchst unterhaltsam und würde mich freuen, einen weitere Romane des Autors lesen zu dürfen.