Freitag, 5. Februar 2016

Bogdan B. Rusev: Koma-Prinzessin

- ein Krimi aus Bulgarien.

Buchdaten:
Gebundene Ausgabe: 276 Seiten
Verlag: Louisoder Verlag
Erschienen am: 21. März 2015
ISBN-13: 978-3944153124

Mein besonderer Dank geht an den Louisoder Verlag, der mir dieses Rezenszionsxemplar zur Verfügung gestellt hat.


Vorne weg
Der Krimi spielt im Umfeld der bulgarischen Version von Big Brother. Für diejenigien, die sich nicht mehr daran erinnern: Big Brother wurde zum ersten Mal 1999 in den Niederlanden ausgestrahlt. Die Rechte an der jeweils lokal produzierten Show besitzt die niederländische Firma Endemol Entertainment. In Deutschland wurde Big Brother zunächst auf dem privaten Sender RTL II ausgestrahlt.
Das Konzept der Sendung besteht darin, dass eine Gruppe von Menschen zum Teil mehrere Monate lang in einem als Wohnumgebung eingerichteten Fernsehstudio („Container“) lebt. Der Tagesablauf wird rund um die Uhr von Fernsehkameras und Mikrofonen aufgezeichnet und im Zusammenschnitt von „Highlights“ im Fernsehen ausgestrahlt. In Bulgarien verbleiben alle Teilnehmer bis zum Ende im Container und der oder die mit den meisten Stimmen gewinnt. Das Finale wird im Rahmen einer Live-Sendung ausgestrahlt.

Inhalt
Der Roman spielt in Sofia im Jahre 2008 und wird aus der Perspektive des jungen, gut aussehenden, aber recht erfolglosen Privatdetektivs Nikifor Valkov, Nicki genannt, erzählt. Dieser wird von Pepi Petrov, dem Chefredakteur von Blackbox, also der bulgarischen Variante von Big Brother, angerufen und um Hilfe gebeten. Als er zum ersten Gespräch zur Produktionsstätte der Sendung fährt, wollen Pepi und der Produzent der Sendung, Sascho Sotirov nicht so Recht mit der Sprache heraus.

Es stellt sich heraus, dass eine Teilnehmerin -Nicoletta Zvetko- im Container brutal zusammengeschlagen wurde und zwar an einer Stelle, an der keine Kameraaufnahmen gemacht worden sind. Derzeit liegt sie im Koma in einer Privatklinik. Da es bei der Produktion um viel Geld geht, wollen die Verantwortlichen auf keinen Fall die Polizei einschalten, sondern Nicki soll herausfinden, wer die junge, hübsche Frau fast zu Tode geprügelt hat. Nur mit entsprechender Hartnäckigkeit gelingt es ihm an die entsprechenden Informationen heranzugekommen. Er dringt sogar bis zum Opfer selbst vor und erfährt vom behandelnden Arzt ein wichtiges Detail: Nicoletta ist schwanger.
Während der Ermittlungen lernt man einiges über die Produktion der Sendung kennen und wirft zusammen mit dem Detektiv einen Blick hinter die Kulissen des Medienzirkus.
Nach Sichtung der Streambilder, also der kompletten Aufnahmen aller Kameras, verbleiben Nicki 3 Verdächtige, die zum Zeitpunkt der Tat nicht von den Kameras erfasst waren. Diese schließt Nicki mit etwas seltsamen Ermittlungsmethoden der Reihe nach aus. Er selbst beschreibt seine Arbeitsweise folgendermaßen:

Ich beginne im Kern der Untersuchung und fange an, in immer größer werdenden konzentrischen Kreisen Informationen zu sammeln, bis ich am Ende etwas entdecke, was nicht in Ordnung ist. Aus diesem Missstand entsteht ein neues Zentrum und wieder suche ich in konzentrischen Kreisen nach Informationen und so weiter und so fort. Die Untersuchung geht weiter, bis ich zusammen mit dem Kunden zu dem Schluss komme, dass die gesammelten Informationen ausreichen, oder bis der Kunde kein weiteres Interesse mehr hat und sich dafür entscheidet, mich nicht mehr weiter zu bezahlen. Letzteres kommt öfter vor. (S.52)

Die unverkennbare Selbstironie Nickis macht den Ermittler zu einer sehr sympatischen Figur, von der ich angenommen habe, dass er diesen Fall niemals allein lösen wird.

Zurück zu den drei Verdächtigen: einem Friseur, einem Informatiker - Schoro- und der Nachtclubtänzerin Petja.

Nicki befragt zunächst seine Schwester, die genau wie der Verdächtige ebenfalls einen Friseursalon besitzt. Allerdings ist in dem Kapitel überhaupt nicht von dem Blackbox-Teilnehmer die Rede, ich musste die Stelle zweimal lesen und mir selbst erschließen, dass er von ihr die entsprechenden Informationen erhalten hat, warum besagter Friseur kein Motiv für den Überfall haben kann.
Über die anderen beiden Verdächtigen sammelt er mithilfe eines alten Freundes Informationen. Und das ist seine große Stärke:
"Aber ich weiß genau, wen ich anrufen muss, um meine Aufgaben zu erledigen." (S.271)

Nach einem Gespräch mit Schoros Eltern, mit denen er Schnaps "säuft", kann er diesen ausschließen. Nachdem es ihm endlich erlaubt wird, anonym - als Blackbox-Stimme - mit den Teilnehmern zu sprechen, stellt sich heraus, dass Petja Nicolettas beste Freundin gewesen ist und als Tatverdächtige ebenfalls nicht in Frage kommt.
Inzwischen gibt es einen Neuen, Rafael, im Container, der Nicoletta ersetzt. Auch mit ihm spricht der Detektiv und auch dieses Gespräch habe ich rückwirkend nochmals gelesen, da es sich vom Ende her erst erschließt. Der Psychologe Eduard Levi, der vom Produzenten gefeuert wurde und vorher die Belastbarkeit der Teilnehmenden in Gesprächen getestet hat, will Nicki nicht weiterhelfen - verdächtig!
Nachdem Nicki keine Person präsentieren kann, die den Überfall offenkundig begangen hat, entbindet ihn Sascho von dem Fall und überweist ihm ein fürstliches Honorar. Doch Nickis Privatdetektivehre lässt ihn nicht zur Ruhe kommen, so dass er auf eigene Faust weiter ermittelt und es ihm schließlich doch gelingt, den Täter zu überführen, indem er ihm eine Falle stellt.

Bewertung
Am Anfang bin ich der lässigen Art des Detektiven auf den Leim gegangen und dachte, mit diesen Methoden kommt der nie ans Ziel. Aber wie er selbst feststellt, verfügt er über die entsprechenden Kontakte und führt seine Auftraggeber bewusst hinters Licht. So ist sein Handeln wohl durchdacht und er löst den Fall.
Seine Selbstironie wirkt ungemein sympathisch und die Geschichte ist flüssig, in kurzen Kapiteln flüssig spannend erzählt. Allerdings steckt oft mehr hinter den vermeintlich belanglosen Gesprächen, als ich vermutet habe, so dass die Story durchaus sorgfältig gelesen werden will.
Der Wechsel zwischen Dialogen, inneren Monologen und Beobachtungen des Ich-Erzählers ist kurzweilig und lässt keine Langeweile aufkommen.
Mit dem Krimi beleuchtet der Autor aber auch seine Stadt - Sofia -, seine Landsleute und vor allem die Machenschaften der Medienlandschaften, denen Quoten und zu erwartende Gelder wichtiger sind als die Aufklärung eines brutalen Überfalls, so dass die Aussage des Klappentextes, der Roman sei mehr als ein "ganz normaler Krimi" durchaus gerechtfertigt ist.

Insgesamt fand ich den Krimi höchst unterhaltsam und würde mich freuen, einen weitere Romane des Autors lesen zu dürfen.