Montag, 1. August 2016

Bettina Balàka: Die Prinzessin von Arborio

- Verständnis für eine dreifache Mörderin?

Buchdaten

Gebundene Ausgabe: 200 Seiten

Verlag: Haymon Verlag

Erschienen am: 8.März 2016

ISBN-13: 978-3709972397


Mein Dank geht an den Haymon-Verlag, der mir dieses Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat, und an Renie, die mich mit ihrer Rezension auf den Roman neugierig gemacht hat.


Inhalt
"Für die einen war das Töten undenkbar, für die anderen war es machbar." (S.5)

Elisabetta Zorzi, von allen nur Zorzi genannt, gehört zu denjenigen, für die es machbar ist.
Sie ist eine junge, schöne Frau und Inhaberin des Wiener Restaurants Cantinetta Zorzi, finanziert von ihrem ersten Ehemann Bernhard, dem sie auch ihre atemberaubende Schönheit verdankt, da er sie zu zahlreichen Operationen überredet hat.
Obwohl sie sich gefällt, nagt doch der Zweifel an ihr:

"Er hat mich verändern wollen. Er hat mich verändert. Er hat mich nicht so geliebt, wie ich war." (S.6)

Trotzdem stimmt sie seinem Heiratsantrag zu, obwohl sie psychosomatische Beschwerden davon bekommt - wie Würgereiz und Herzrhythmusbeschwerden. Ihm zuliebe steigt sie auf Berge und lässt sich von ihm beschimpfen, bis sie beschließt, dass so ein Gipfel eine wunderbare Gelegenheit sein kann, sich des unliebsamen Mannes zu entledigen.

Der Roman schildert im Rückblick die drei Morde an ihren Partnern und wie es jeweils dazu gekommen ist. Dazwischen werden immer wieder Teile aus den Verhören und dem Gerichtsverfahren eingefügt, so dass die Leser/innen bereits wissen, dass Zorzi für ihre Taten verurteilt werden wird.
Der Kriminalpsychologe Arnold Körber steht neben Zorzi im weiteren Verlauf im Vordergrund der Handlung, wie er die Verbrechen entdeckt hat, wie er sie zu einem Geständnis überredet hat und er schließlich selbst dem Charme der Zorzi erliegt.

Seine Perspektive ermöglicht es Verständnis für die dreifache Mörderin aufzubringen, da Körber versucht psychologische Erklärungen für ihr Verhalten zu liefern. So ist sie von ihrem Vater, einem mittelmäßigen Schriftsteller, nur unzureichend beachtet worden und hat sich immer nach seiner Anerkennung gesehnt, wollte ihm alles Recht machen. Das könnte erklären, warum sie sich auch ihren Partnern anpasst und ihre eigene Bedürfnisse in den Hintergrund stellt.

"Zorzis Grundproblem, erklärte Arnold Körber den Medien, sei ihre überdimensionale Anpassungsbereitschaft." (S.37) 

Dafür verlangt sie aber eine Gegenleistung- eine perfekte Familie. Und wer ihr die nicht liefern kann, der wird beseitigt oder verlassen - wenn er Glück hat.

Mit ihrem zweiten Partner wächst ihr Wunsch, eigene Kinder zu haben. Doch dann entdeckt sie sein "Fremdgeh-Handy" und ersinnt einen ausgeklügelten Plan, um auch ihn und ihren Tinnitus, den sie seit der Entdeckung hat, loszuwerden.
Berechtigterweise stellt sich die Frage:

">Warum hast du ihm nicht einfach sein Fremdgeh-Handy auf den Tisch geknallt und gesagt: Verpiss dich!< Zorzi hatte nicht das Gefühl, dass das eine Option gewesen wäre. Männer waren für sie in ein Haus hineinverkapselte, betonartig angeklebte Wesen, das Äquivalent eines Wespennests. Man konnte zu einem Wespennest nicht einfach sagen: Geh fort. Man musste es mit maximaler Vorsicht, Gründlichkeit und Schonungslosigkeit entfernen." (S. 21).

Was sie dann auch tut, doch sie fliegt erst durch Zufall nach dem Mord an ihrem dritten Lebensgefährten auf, der ihr ebenfalls nicht den Wunsch nach Kindern erfüllen kann.
Als Leistungssportler nimmt Chuck Anabolika, was sich nachweislich auf Libido und Fruchtbarkeit auswirkt, zudem ist er nur mäßig "ausgestattet".
In dem Zusammenhang sinnt Zorzi über ihre Liebesleben nach:

"Das Verhältnis von vaginalem zu klitoralem Orgasmus war für sie wie das von Äpfeln und Birnen: Sie sahen ähnlich aus, wuchsen beide auf Bäumen und schmeckten doch unterschiedlich. Manche mochten sagen: Ob Äpfel oder Birne ist doch egal. Sie persönlich bevorzugte Äpfel. Birnen könnte man sich schließlich auch selber besorgen oder (nicht, dass sie es ausprobiert hätte) auch eine Frau. Äpfel dagegen bekam man ausschließlich von Männern, und das, wurde ihr nun klar, war (...) einer der wesentlichen Gründe, weshalb sie mit einem leben wollte" (S. 71) 

Im weiteren Verlauf wird geschildert, wie es dem Kriminalpsychologen gemeinsam mit zwei Kollegen, Frau Pretzl-Abfalter und Herrn Flimminger, nach vielen Verhören gelingt, Zorzi zu dem Geständnis zu bewegen und die vorangegangenen Morde aufzudecken.

Obwohl damit seine Aufgabe erledigt ist, besucht Arnold Körber sie auch im Gefängnis, das sie so schnell nicht wieder verlassen wird, und erliegt dort letztendlich ihrem Charme.
Ob er das überleben wird?

Bewertung
Ein großartig erzählter Roman, dem es tatsächlich gelingt, dass man Verständnis mit der dreifachen Mörderin aufbringt und den psychologischen Erklärungen Arnold Körbers erliegt. Als Leserin bin ich genau wie Körber zunächst in die Venus-Fliegen-Falle geraten und hatte Mitleid mit der Zorzi, die von ihren Männern wirklich wenig respektvoll behandelt wurde - erzwungene Schönheits-OPs, Fremdgehen, Ordnungsfanatismus und mangelndes Liebesleben. Eine traumatische Kindheit, zumindest erzählt sie es so. Und dann kippt die Sympathie im Laufe des Romans und man möchte Körber zurufen: "Schalt dein Gehirn ein...", doch leider steckt er schon in der Falle fest und vermag die kühle Berechnung der zugegebenermaßen, sehr anpassungsbereiten Frau nicht mehr zu sehen. Unbeirrt verfolgt sie ihr Ziel, eigene Kinder zu haben und geht ihren Weg.

Aufgrund der vielen komischen Szenen, unter anderem der Schilderung der einzelnen Morde, ist der Roman sehr unterhaltsam und auch die Aufklärung und die Vermutungen der Polizisten sowie das Ende, das offen bleibt, sind spannend zu lesen.

Insgesamt eine klare Leseempfehlung!