Gastbeitrag von Sabine
Kathedrale Rouen (Quelle: pixabay) |
gesprochen von Christian Brückner
14 Stunden und 4 Minuten
ungekürztes Hörbuch
Madame Bovary geistert
namentlich durch die Gazetten, durch die Literatur und der „Bovarysmus“ ist
eine feststehende Größe in Psychologie/Philosophie. Genau dieser Tatsache ist
es geschuldet, dass Tina und ich uns an die gemeinsame (Hör-)Lektüre dieses
Werkes der klassischen französischen Literatur machten. Erstmals erschienen ist
der Roman 1856, der den Untertitel „Sittenbild aus der Provinz“ trägt. Aufgrund
seiner neuartigen und für die Zeit überraschend offenherzigen Erzählweise wurde
der Autor von Zeitgenossen angegangen, musste sich sogar vor Gericht
verantworten.
Worum geht es?
Der Roman setzt in der
Kindheit von Charles Bovary ein. Er kommt aus wenig begütertem Hause, ist ein
mäßig fleißiger Schüler und wird von seiner Mutter einerseits geliebt,
andererseits aber auch stark dominiert. Sie ist es, die ihn zum Medizinstudium
drängt, dessen Examen er mit 5 Jahren Verspätung ablegt. Sie zwingt ihn in
seine erste Ehe mit einer deutlich älteren und verknöcherten Witwe, von der sie
sich einigen Wohlstand erhofft. Diese Verbindung ist für den jungen Mann ein
Desaster, da er kontrolliert und bevormundet wird. Kurz nachdem er Emma durch
die Behandlung ihres Vaters kennenlernt, verstirbt seine Frau. Er hält um Emmas
Hand an, nach Ende der Trauerzeit findet die Hochzeit statt.
Charles strotzt vor
romantischen Gefühlen seiner Frau gegenüber, er vergöttert sie und vertraut ihr
blind. Emma indes liest mit Vorliebe romantische Romane und möchte aus ihrer
Welt ausbrechen. Sie hat sich durch die Heirat einen gesellschaftlichen
Aufstieg erhofft, der an der Seite dieses bescheidenen Landarztes ausbleibt, so
dass ihre Unzufriedenheit wächst. Als das Paar für ein Wochenende auf das
Schloss eines Marquis eingeladen wird und Emma diese völlig neue Lebensart
entdeckt, wird ihr die Diskrepanz zu ihrem eigenen Leben überdeutlich, ihre
Unzufriedenheit steigt und sie träumt von einem Mann, der sie liebt und “errettet“.
Sie freundet sich mit dem
Kanzlisten León an, mit dem sie die Liebe zu Literatur und Musik verbindet.
Diese Beziehung bleibt zunächst platonisch. Gefährlicher wird es mit Rodolphe,
einem Nachbarn aus niederem Adel: Schnell entwickelt sich eine
leidenschaftliche Liebesbeziehung. Während er Emma zunächst nur als bequeme,
gefahrlose Eroberung sieht, stürzt sie sich kopfüber ins Abenteuer, vernachlässigt
ihre mütterlichen Pflichten, kauft teure Geschenke und verschuldet sich
zusehends. Höhen und Tiefen prägen die Beziehung. Kurz bevor beide zusammen mit
Emmas Tochter Berthe durchbrennen können, kommen Rudolphe Zweifel und er
beendet die Verbindung. Emma befällt erneut tiefe Unzufriedenheit, die sie
ihrer Umwelt gegenüber völlig unleidlich macht. Charles liebt sie durchgängig
hingebungsvoll, pflegt sie, wechselt für sie sogar den Wohnort, und obwohl sie
ihn zunehmend ablehnt, ahnt er nichts von ihrem Doppelleben.
Als Leser wird klar, dass dies
kein gutes Ende nehmen kann. Rodolphe wird nicht Emmas einziger Liebhaber
bleiben. Emma hat eine Spirale in Gang gesetzt, die Armut und Verderben über
die Familie bringen wird. Charles nimmt keinen Ratschlag aus seinem Umfeld an.
Am Ende landet Tochter Berthe elternlos in einer Baumwollspinnerei. Das ist die
bittere Tragik, dass die Höhenflüge der Mutter die Tochter in Armut stürzen,
denn sie wird in der Fabrik schuften müssen, während ihre Mutter zu Lebzeiten im
Grunde keinerlei Pflichten hatte und dennoch mit ihrem Leben vollkommen
unzufrieden war. Ironie des Schicksals?
Bewertung
Zahlreiche interessante
Charaktere bevölkern den Roman und machen ihn eben zum Sittenbild aus der
Provinz. Vieles erfährt man über das Leben und die Gesellschaft in der
französischen Kleinstadt.
Das Hörbuch wird absolut
beeindruckend von Christian Brückner gelesen. Seine Stimme machte es zu einem
absoluten Hörgenuss. Tina und ich sind überzeugt, dass wir beim normalen Lesen
sicher die ein oder andere Länge empfunden hätten, beim Hören blieb uns das
erspart.
Vergleicht man Madame Bovary
mit Fontanes „Effi Briest“, einem Werk, das immerhin 40 Jahre später erschien,
wird man in der Tat feststellen, dass hier in diesem Roman der Ehebruch nicht
nur mit vagen Andeutungen, sondern recht deutlich dargestellt wird. Das Paar plant
raffiniert seine Treffen, wird immer waghalsiger, geht auch in der
Öffentlichkeit recht vertraut miteinander um.
Sympathien hat man nicht mit
Emma, zu hausgemacht erscheinen ihre Probleme, sie übernimmt keine
Verantwortung für ihr Tun. Vielleicht würde man sie heute als depressiv
bezeichnen?
Tina und ich haben einen
weiteren Klassiker via Hörbuch kennengelernt und es wird gewiss nicht der
letzte bleiben. Wir empfehlen dieses Hörbuch voll und ganz.