Freitag, 26. Mai 2017

Simon Mason: Mondpicknick

ein Jugendroman zum Thema Alkoholismus.

Lesen mit Mira

Gebundene Ausgabe, 302 Seiten
Carlsen, 2013


Inhalt
Martha ist 11 Jahre alt, gemeinsam mit ihrem 5-jährigen Bruder Christopher, "Tug" genannt, und ihrem Vater lebt sie in einem kleinen Haus. Vor zwei Jahren ist plötzlich ihre Mutter, eine bekannte Schauspielerin, gestorben.
Ihr Papa kann nicht über den Verlust reden, statt dessen kündigt er seine Arbeit als Kameramann, da er Abstand zu der Welt braucht, in der er seine Frau kennen gelernt hat. Auch mit den Eltern seiner Frau bricht er fast den Kontakt ab.

Das durchschaut Martha, aus deren personaler kindlicher Sicht die Ereignisse erzählt werden, jedoch nicht. Statt dessen bemerkt sie, dass ihr Vater komisch ist. Mitten in der Nacht weckt er sie und ihren Bruder, um im Park ein "Mondpicknick" zu veranstalten. Martha ist es, die sich um alles kümmert, ständig denkt sie daran, was noch zu tun ist.

" Wie üblich machte Martha im Kopf eine Liste:

  • putzen
  • Mittagessen kochen
  • nähen
  • zu Marcus gehen [Das ist ihr Freund, der eine Vorliebe für klassische Filme und schöne Kostüme hat.]
  • Papa mit dem Abendessen helfen
  • Tug baden
  • Tug vorlesen
  • ins Bett gehen" (S.20)

Da das Verhältnis zu ihren Großeltern, die sehr vernünftig und streng sind, unterkühlt ist, sucht sie dort keine Hilfe. Eine zu große Verantwortung für ein elfjähriges Mädchen, sei sie noch so vernünftig. Ihr Vater verlangt unbewusst von ihr, für Tug, der immer Hunger hat, Ersatzmutter zu sein, und für ihn selbst gleichberechtigte Gesprächspartnerin. Diese hohen Erwartungen zehren an Martha, die unter Schwindel und Kopfschmerzen leidet.

"Ich bin elf, dachte sie. Ich darf keine Angst vor der Stille oder vor der Dunkelheit haben. Ich muss einen klaren Kopf behalten und darf nicht albern sein." (S.37)

Einzige Konstante in diesem chaotischen Leben ist der Mond, den sie immer wieder betrachtet und mit verschiedenen Vergleichen versucht zu beschreiben.

Erst ein gemeinsames Abendessen mit ihrer Freundin Laura und deren Mutter offenbart das Problem, das Marthas Vater offenkundig hat - er ist Alkoholiker.
Schonungslos beschreibt Simon Mason seinen allmählichen Niedergang und die verzweifelten Versuche, dem Trinken zu widersagen.
Wird er aus Liebe zu seinen Kindern den Entzug schaffen?

Beurteilung
Ein heikles Thema, das aus der kindlichen Sicht heraus, umso schlimmer erscheint. Wenn man Marthas Vater aus ihren Augen betrachtet, wie er betrunken am Boden liegt oder unberechenbar reagiert, ahnt man, was Kinder von Alkoholikern aushalten müssen. Dabei wird er nicht handgreiflich, bringt seine Kinder jedoch aufgrund der Vernachlässigung und Unvorsichtigkeit in Gefahr.
Was Martha leistet, ist unfassbar - und unrealistisch. Mira und ich haben darüber diskutiert, ob ein 11-jähriges Mädchen tatsächlich in der Lage wäre, diese Leistung über einen solchen Zeitraum zu erbringen. Sie wirkt zu perfekt, macht eigentlich keine Fehler. Glaubwürdiger wäre gewesen, wenn sie 13 oder 14 Jahre alt wäre. Vielleicht hat der Autor auch unterschätzt, welche Leistung Martha jeden Tag erbringt, das war zumindest eine Erklärung Miras.
Ich kann mir vorstellen, dass ein Kind unter bestimmten Umständen in der Lage ist, eine solche Verantwortung zu übernehmen - aber nicht so perfekt und so lange.
Man bewundert Martha und empfindet Mitleid mit ihr, denn eine 11-Jährige sollte unbeschwert und ohne Pflichten, wie Essen kochen, für die Familie sorgen, aufwachsen dürfen.
Trotzdem gelingt es Simon Mason auch Verständnis für Marthas Vater zu erzeugen -zumindest kann man nachvollziehen, dass er sich nach dem Tod seiner Frau in tiefer Trauer befindet und das Trinken als Ausweg angesehen hat. Nichtsdestotrotz werden sein Verhalten und die Konsequenzen für die Kinder verurteilt - aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern indem man Anteil an Marthas Gefühlen nimmt, die sich bemüht, nachdem die beiden Geschwister zu ihren Großeltern kommen, ihren Vater zu vergessen.
Das Verhalten aller Beteiligten nach der Wende - ein Verkehrsunfall - wird im Vergleich zum ersten Teil glaubwürdig geschildert, da waren Mira und ich uns einig.

Der Jugendroman zeigt die Gefahren und die Auswirkungen des Alkoholismus gut auf, aber auch Möglichkeiten, wie Marthas Vater seine Sucht bekämpfen kann. Gleichzeitig verschließt er nicht die Augen vor den Schwierigkeiten, wieder in die Normalität zurückkehren zu können.
Noch glaubwürdiger wäre er, wenn die Protagonistin ein wenig älter gewesen wäre. Oft ist es jedoch so, dass sich Jugendliche daran - im Gegensatz zu erwachsenen Leser*innen - nicht stören.

Am Ende wird alles, sehr gut sogar. Führt man sich die Zielgruppe vor Augen, ist das jedoch legitim, wenn es auch in der Realität selten so positiv für alle ausgeht.

Hier geht es zu Miras Rezension.